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Pressefreiheit vor Gericht

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Ungelesen 29.12.20, 18:04   #1
Uwe Farz
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Standard Pressefreiheit vor Gericht

Julian Assange - Pressefreiheit vor Gericht
Zitat:
Julian Assange droht eine 175-jährige Freiheitsstrafe. Die erste Instanz im Auslieferungsersuchen der Vereinigten Staaten geht in wenigen Tagen in ihr Finale, und es wird um nichts weniger als um die Pressefreiheit gekämpft. Im Assange-Verfahren wird eklatant gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen, kommentiert Wolfgang Kaleck.

29.12.2020 um 08:48 Uhr - Gastbeitrag, Wolfgang Kaleck - in Demokratie - 2 Ergänzungen

Wolfgang Kaleck ist Rechtsanwalt und Publizist. Er gründete 2007 das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin, das weltweit für die Menschenrechte kämpft und dessen Generalsekretär er seitdem ist. Für sein Engagement wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Hermann-Kesten-Preis des PEN-Zentrums und dem Ehrenpreis der Bruno-Kreisky-Stiftung.

Am 4. Januar 2021 wird der Westminster Magistrates‘ Court in London in der Sache Government of the United States of America vs. Julian Assange darüber entscheiden, ob die britische Justiz, jedenfalls in erster Instanz, dem Auslieferungsbegehren der USA stattgibt. Wie die Verteidigung von Assange in ihrem Schlussplädoyer vortrug, wäre die Fortsetzung der Strafverfolgung eine krasse Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit und eine fundamentale Bedrohung der Pressefreiheit in der ganzen Welt.

Die Verfolgungsgeschichte von Julian Assange zieht sich schon lange: Viele verschiedene Jurisdiktionen, von Schweden über England, Spanien, Ecuador bis zu den USA sind involviert, Richter*innen in all diesen Ländern haben ebenso bereits in der Sache entschieden wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Und zu Ende wird es auch im Januar noch lange nicht sein: Denn gegen die Entscheidung des Gerichts in der ersten Instanz können von beiden Seiten Rechtsmittel eingelegt werden.

Dann kann sich das Verfahren durch alle Instanzen der englischen Justiz hinziehen, bis erneut der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Fall möglicherweise auf den Tisch bekommt: Wenn nämlich in letzter Instanz entschieden wird, dass Julian Assange in die USA ausgeliefert wird. Erst danach würde die eigentliche Verhandlung in den USA losgehen.

Fürwahr ein kafkaesker Alptraum, erst einmal natürlich für Assange selbst. Weder er noch seine Mitstreiter*innen wussten in all den Jahren, wann wo wer wie gegen ihn auf welcher gesetzlichen Grundlage ermittelt hat und mit welchen Konsequenzen er rechnen muss. Aber auch für diejenigen, die interessiert das Verfahren verfolgen wollen, sind die juristischen und politischen Feinheiten des Falles schwer nachzuvollziehen.

Seit sich Edward Snowden (jüngst in einem Tweet: „Mr. President, if you grant only one act of clemency during your time in office, please: free Julian Assange. You alone can save his life.“) und viele prominente Persönlichkeiten aus der ganzen Welt für Assange einsetzen, haben immerhin auch einige Medienvertreter*innen und Journalist*innen, etwa Masha Gessen im New Yorker, realisiert, dass es weniger um die Person von Julian Assange als vielmehr um das Prinzip geht. In Frage steht das Prinzip der Pressefreiheit und das Prinzip, als Journalist und Autor, wenn auch in unkonventionellen neuen Medien, Informationen zu empfangen und weiterzuverarbeiten.

Die Pressefreiheit hat in all diesen Jahren schon enormen Schaden erlitten. Denn natürlich sollte das Vorgehen gegen Assange nicht nur ihn selbst und Wikileaks, sondern auch alle Medienvertreter*innen davon abhalten, in Fällen von „nationaler Sicherheit“, Kriegsverbrechen und ähnlich gelagerten Situationen offen zu berichten. Alle sollen die Schere im Kopf haben, und insbesondere solche, die keinen Medienkonzern hinter sich wissen, müssen sich unabhängig davon, wie das Verfahren letztlich ausgeht, vorsehen, was und was nicht sie veröffentlichen.

Schon Carl von Ossietzky, der spätere Friedensnobelpreisträger von 1935, hatte sich während des Weltbühnenprozesses 1931 in der Weimarer Republik gegen einen ähnlich gelagerten Spionagevorwurf zu verantworten. Von Ossietzky berichtete damals über die Aufrüstung der Reichswehr, die Schwarze Reichswehr. Wie der Prozess endete, ist bekannt: Er wurde von den Nazis in ein KZ verbracht und dort misshandelt, gefoltert und verstarb schließlich 1938 an den Folgen der Haft.

Tucholsky 1932 über Ossietzky:
„Carl von Ossietzky geht für achtzehn Monate ins Gefängnis, weil sich die Regierung an der Weltbühne rächen will.“ - Gemeinfrei Kurt Tucholsky, Weltbühne. Jg. 28, Nr. 20, S. 734
Hart um die Pressefreiheit kämpfen

Es geht nicht darum, die Johnson-Regierung oder die Trump-Regierung mit den Nazis zu vergleichen. Entscheidend ist vielmehr, dass schon zu anderen historischen Epochen immer wieder hart um die Pressefreiheit gekämpft werden musste und dass ehrenwerte Journalist*innen wie Carl von Ossietzky letztlich dafür mit dem Leben bezahlen mussten – und dass offensichtlich unsere Gesellschaften aus diesem Exempel nicht gelernt haben.

Geht es auch eine Nummer kleiner? Ja, natürlich: Wie die Verteidigung von Assange zurecht ausführt, ist die Auslieferung allein deswegen zurückzuweisen, weil die Tatvorwürfe politisch motiviert sind. Dies ist eine klare Verletzung des Anglo-US-Treaty, des Auslieferungsvertrages zwischen den USA und Großbritannien. Tatsächlich wird Assange vorgeworfen, Komplize bei Chelsea Mannings Handlungen gewesen zu sein, namentlich Mannings‘ theft and unlawful disclosure, knowing and intentional receipt of national defense information from Manning, agreement to engage computer hacking with Manning and to hack an encrypted password. Nicht nur, dass die meisten dieser Tathandlungen typische Journalistentätigkeiten sind, sie werden von den US-Anklägern als Verstöße gegen den Espionage Act von 1904 bewertet – dasselbe Gesetz, nach dem auch Edward Snowden verfolgt werden soll. Die Konsequenzen sind schon oft genug erörtert worden:

In einem Verfahren vor einem US-amerikanischen Gericht sind die Verteidigungsmöglichkeiten bei Verstößen gegen den Espionage Act äußerst begrenzt. Bei wesentlichen Teilen der Verhandlung, so schon erlebt im Verfahren gegen Chelsea Manning, kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Besonders schwer wiegt, dass in derartigen Verfahren bestimmte Verteidigungshandlungen verboten sind. Im Strafprozess geht es ja nicht nur um die objektive Feststellung, ob jemand einen bestimmten Gesetzesverstoß begangen hat. Es muss auch festgestellt werden, aus welchen Gründen die Person es getan hat und ob möglicherweise Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe vorliegen. Genau diese Verteidigungsmöglichkeiten, die spätestens dann bei der Strafzumessung eine Rolle spielen sollten, sind den Angeklagten in solchen Fällen untersagt.

Das ist vollkommen absurd, denn es ist nach dieser Logik egal, ob jemand für zehn Millionen Dollar Staatsgeheimnisse an Nordkorea verkauft oder eben wie in den Fällen Snowden oder Assange versucht hat, die Öffentlichkeit über Missstände zu informieren, die vorher als Geheimnisse eingeschätzt wurden, und ob der jeweilige Angeklagte versucht, diesen Missständen abzuhelfen.

Eine 175-jährige Freiheitsstrafe

Schlimm genug, dass Whistleblower in den USA selbst unter der Obama-Administration nach solchen Vorschriften verfolgt und mit Verfahren überzogen wurden, deren Zahl und Ausmaß vorherige Epochen überschreiten. Doch war der Obama-Administration immerhin klar, dass sie einen Präzedenzfall schaffen würde, wenn sie den Journalisten Assange unter Anklage stellt und seine Auslieferung aus Großbritannien verlangt. Deswegen lehnte sie damals jedenfalls noch eine solche Entscheidung ab.

Schon im historischen Auslieferungsrecht stellte die mögliche politische Verfolgung des Auszuliefernden das wichtigste Hindernis für die Auslieferung dar. In Sachen Snowden haben wir daher immer argumentiert und auch darauf vertraut, dass, sollte Snowden, so beispielsweise bei einer Sitzung des Bundestags-NSA-Untersuchungsausschusses, nach Deutschland einreisen, eine Auslieferung in die USA unmöglich gewesen wäre. Denn der Espionage Act ist ein klassisches politisches Delikt. So sollten eigentlich auch englische Gerichte entscheiden.

Man darf auch gespannt darauf sein, ob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine drohende 175-jährige Freiheitsstrafe für Assange wegen der Veröffentlichung von Informationen, die jedenfalls zum Teil auch Kriegsverbrechen und Vorwürfe von Kriegsverbrechen enthielten, für vereinbar mit europäischen rechtsstaatlichen Prinzipien hält. Sagen wir es andersherum: Es wäre ein Skandal, wenn er dies täte.

Die Corona-Situation

Das englische Gericht machte in seiner bisherigen Verhandlungsführung nicht den Eindruck, dass es sich der Bedeutung und der angesprochenen Probleme auch nur ansatzweise bewusst ist. Die Corona-Situation war fatal für Julian Assange. Nicht nur, dass er aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit besonders anfällig für eine mögliche Infizierung während seiner zwanzigmonatigen Auslieferungshaft im Belmarsh-Gefängnis war. Alle Eingaben, ihn deswegen von dem Vollzug der Auslieferungshaft zu verschonen, sind gescheitert.

Das Gericht befand, die Corona-Gefahr sei nicht so groß, dass er haftverschont wird. Auf der anderen Seite diente sie aber als Grundlage, um einen Großteil der interessierten Öffentlichkeit und Weltöffentlichkeit von der Beobachtung des Falles auszuschließen. Das Gericht hat alles unternommen, um zunächst den absolut unabdingbaren und für jede Verteidigung in einem Fair-Verfahren notwenigen regelmäßigen Kontakt zwischen Assange und seinen Anwälten zu unterbinden – allein das ist schon ein schwerwiegender Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien. Auch die Öffentlichkeit des Verfahrens wurde nur teilweise hergestellt, weil das Gericht nicht einmal die unter Corona-Schutzbedingungen mögliche Zahl von Prozessbeobachter*innen ausschöpfte. Zudem wurden keineswegs alle technischen Möglichkeiten genutzt, um ansonsten die interessierte Öffentlichkeit an dem Verfahren teilnehmen zu lassen.

Wird Joe Biden das unwürdige Spektakel beenden?

Im Grunde genommen bietet das nunmehr über mehrere Jahre andauernde Assange-Verfahren genügend Stoff für Dutzende juristischer Seminare. Das jahrelange Abhören seiner Kommunikation durch Sicherheitsfirmen und das Zurverfügungstellen der Ergebnisse an US-Behörden stellt etwa einen so drastischen Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien dar, dass es eigentlich ein Strafverfolgungshindernis darstellt.

Selbst bei optimistischer Grundhaltung kann aber nicht erwartet werden, dass sich das Gericht in erster Instanz gegen das Auslieferungsersuchen der USA stellt. Das bedeutet erst einmal natürlich eine Verlängerung der äußerst schwierigen Situation für Assange, aber er hat natürlich noch mehrere Chancen innerhalb der folgenden Instanzen, seine Argumente vorzutragen. Vor allem aber kann die neu gewählte US-Regierung unter Joe Biden das Auslieferungsbegehren schlicht und einfach zurückziehen und damit dieses unwürdige Spektakel, das jedenfalls kontinentaleuropäischen Vorstellungen von fairen Verfahren widerspricht, mit einem Federstrich beenden. Man darf Julian Assange und allen, die mit der Pressefreiheit streiten, nur wünschen, dass die Bedingungen auch für öffentliche Kampagnen in diesem Sinne und weltweit nun günstiger sind und die Menschen ein Ohr für diese für demokratische Gesellschaften unabdingbare Grundfreiheit haben.
Quelle:
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Das UK Gericht hat sich in der Causa Assange bereits mehrfach über rechtsstaatliche Prinzipien hinweg gesetzt. Die Chancen könnten schlechter gar nicht sein. Auf den President elect Biden zu hoffen wird am Ende nichts bringen. Hier werden demokratische Grundwerte mit Füssen getreten.
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