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Geheimsprachen aus Licht - und wie Forscher sie entschlüsseln wollen

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Ungelesen 18.04.20, 02:02   #1
BLACKY74
Chuck Norris sein Vater
 
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Standard Geheimsprachen aus Licht - und wie Forscher sie entschlüsseln wollen

Zitat:
BIOLUMINESZENZ
Geheimsprachen aus Licht - und wie Forscher sie entschlüsseln wollen

Fische, Kraken und Korallen sind gesprächiger, als man denkt. Und ihre Nachrichten glitzern, denn die Tiere locken, warnen, debattieren mit Licht. Leuchtzeichen sind die wichtigste Sprache der Biologie, meinen Forscher und versuchen das schillernde ABC zu entschlüsseln


Laternenfisch


Mit blauen Leucht*organen imitieren die Fische das Schummerlicht in den *oberen Wasserschichten. So werden sie unsichtbar für Wegelagerer unter ihnen

Kleiner Leuchtkäfer


Mit einer grünen Laterne macht das männliche Glühwürmchen auf sich aufmerksam – so lange, bis eines der flugunfähigen Weibchen im Gras ein Lichtzeichen erwidert

Steinkoralle


Farbe scheint den Korallen das Leben zu versüßen: Exemplare, die tief im Meer wachsen, wandeln durch Fluoreszenz blaues Restlicht in rötliches um: Das dringt besser ins Gewebe, wo Algen per Foto*synthese Zucker produzieren, den die Koralle nutzt

Skorpion

Die Jäger der Nacht fluoreszieren unter UV-Licht. Daraus schließen Forscher: Die Tiere nehmen die Strahlung wahr und richten danach ihre Beutezüge aus. Scheint der Mond, sparen sie sich die Jagd, denn sie wären dann leicht zu entdecken

Leuchtkalmar

Der Tintenfisch setzt Glanzpunkte, um sich zu tarnen, Partner oder Beutetiere anzulocken und Rivalen zu warnen

Feuerwurm

Der schillernde Jäger verdankt seinen Namen nicht der flammenden Farbgebung, sondern dem Gift im Innern seiner fragilen Borsten

Pilzmückenlarven

Wie Sterne am Firmament leuchten die klebrigen Fallen der Pilzmücken*larven. In manchen Höhlen Neuseelands baumeln ihre Fäden zu Tausenden von der Decke und machen Beute ...

Eintagsfliege

... wie die Eintagsfliege, die hier in die Falle gegangen ist: An der Vibra*tion spürt die Larve in ihrem Nest an der Höhlendecke, welchen von ihren Fangfäden sie für die Mahlzeit einholen muss

Muschelkrebs

Die Leuchtstoffe dieser Krebse sind so stark, dass Japans Soldaten im Zweiten Weltkrieg getrockenetes Krebspulver in der Hand mit Spucke befeuchteten und als »Taschenlampe« benutzten

Herber Zwergknäueling

Glänzender Trick: Dieser Pilz zieht leuchtend Insekten in seinen Bann. Die Nachtschwärmer helfen dann, seine Sporen zu verteilen

Der Pazifik hatte das letzte Schimmern der Dämmerung längst verschluckt, als David Gruber im schwarzen Wasser vor Mborokua in ein verstecktes Gespräch platzte. In gut zehn Meter Tiefe, unter dem Dach eines Felsvorsprungs, waren die Schatten zusammengekommen: Zu Tausenden huschten sie zwischen Korallen und den vulkanischen Felsen der Salomonen-Insel umher. Sie schienen miteinander zu streiten, vielleicht gemeinsam nach einer Richtung zu suchen, in der sie weiterziehen sollten. Genau aber konnte der Forscher sie nicht verstehen: Sie unterhielten sich lautlos. Sie sprachen in Zeichen aus Licht.

Die Fische selbst, Anomalops katoptron, sah Gruber durch seine Taucherbrille dabei nur als Schemen. Doch Wolken aus blauen Blitzen hüllten ihn ein, sie zogen minutenlang durch das Wasser wie Sternschnuppen über den Nachthimmel: Fragen und Antworten, Vorschläge und Repliken aus flirrenden Morsesignalen.

Dann, als die Blitzlichtfische offenbar endlich zu einer Entscheidung gekommen waren, rollte der Schwarm aus der Höhle hinaus und verschwand in der Tiefe des Ozeans „wie ein pulsierender, glitzernder Fluss“, erinnert sich Gruber. „Es war ein magischer Augenblick“, sagt er, „als wollten die Fische mich teilhaben lassen an ihrem Aufbruch.“

Das war im September 2013. Der Meeresbiologe von der City University of New York konnte dem Lockruf der Lichter damals nicht lange folgen, das Schimmern nicht einmal mit der Kamera einfangen; dafür war es zu schwach. Aber noch immer erzählt er davon so gebannt, als hätte er einen Funkspruch von Aliens auf geschnappt: Was hatte das Feuerwerk zu bedeuten? Und wie konnten die Fische es steuern? Wie viele ähnliche Blitzlichtdebatten sind wohl noch in den Ozeanen verborgen?

Unbekannte Codes aus einer Parallelwelt

Solchen Rätseln jagt Gruber seit Jahren nach. An Tropenriffen und an den Flanken von Eisbergen in der Arktis, in Seegraswiesen und an den Wänden unterseeischer Canyons erforscht er die Leuchtsignale von Tieren und Planktonwesen – schillernde Morsezeichen des Lebens. „Wir finden sie fast überall“, sagt er: funkelnde Quallen. Kalmare und Fische in fluoreszierenden Neonkostümen. Garnelen, die sich wie Feuer speiende Drachen mit gleißen den Wolken umhüllen. Zählen all diese Gesten tatsächlich zu einer eigenen Form des Nachrichtenaustauschs, zu einer „Sprache aus Licht“?

David Gruber ist 47 Jahre alt, Presidential Professor und fest verankert im ehrwürdigen „The Explorers Club“; aber mit seinem Jungengesicht und der Harry-Potter-Brille, den ungebändigten schwarzen Locken und seiner weichen, staunenden Stimme wirkt er wie ein Student. Ein Abenteurer – besessen von der Idee, die Codes einer unverstandenen Parallelwelt zu dechiffrieren.

Tatsächlich wird immer klarer: Lichtgestalten wie die Anomalops-Fische sind in der Natur keine Seltenheit, keine Freaks. Vertreter aus mehr als 700 Gattungen von Tieren und Einzellern, Bakterien und Pilzen verfügen über die Kräfte der „Biolumineszenz“: In chemischen Reaktionen produzieren sie eigenes Licht – zum Lieben und Töten, Verschrecken und Flüchten.

An Land und im Wasser

Fast jeder kennt Leuchtkäfer, die in Regen- und Laubwäldern mit grünen Morserhythmen um Partner werben; wobei einige Glühwürmchenarten sich so genau abstimmen, dass sie zu Tausenden zwischen den Bäumen im gleichen Takt blinken.

Auch Dutzende Pilzarten glimmen im Unterholz – wahrscheinlich, um Fluginsekten anzulocken, die ihre Sporen verteilen. Andere Landgänger nutzen Lichtsignale zur Abschreckung, wie in den Bergwüsten Kaliforniens der giftige (und als Hinweis darauf giftgrün schimmernde) Tausendfüßler Motyxia sequoia.

Die erstaunlichste Vielfalt an Biolumineszenz aber funkelt in den Ozeanen. Schon auf den ersten paar Dutzend Metern filtert das Wasser das meiste Sonnenlicht aus; wer in größerer Tiefe auffallen möchte, muss sich gleißend in Szene setzen. Auch mitten am Tag.

Muschelkrebse und Borstenwürmer zum Beispiel führen auf der Suche nach Partnern kunstvolle Leuchttänze auf. Anglerfische hingegen sind dafür berühmt, dass sie glimmende Köder vor ihrem Maul baumeln lassen: Die Lichtfallen ziehen Krebse und kleine Fische an, die dem Schein in der Finsternis nicht widerstehen können – und ihre Neugier meist mit dem Leben bezahlen.

Andere Räuber, manche Kalmare etwa, verwirren mit Lichtblitzen ihre Opfer; Laternen- und Blitzlichtfische fahnden mit biolumineszenten Suchscheinwerfern im Dunkeln nach Beute. Eine Gruppe von Barten-Drachenfischen strahlt dafür langwelliges, rotes Licht aus, das nur wenige Tiefseebewohner wahrnehmen können. So nähern sich die Angreifer unbemerkt ihren Opfern.

Doch auch zur Verteidigung setzen Ozeantiere Lichtwaffen ein. Als Tarnmantel beispielsweise: Blaue Leuchtorgane, zumeist an der Bauchseite, imitieren das Schummerlicht der Umgebung und machen ihre Besitzer damit für Wegelagerer aus der Tiefe weitgehend unsichtbar. Leuchtheringe, Pfeilwürmer oder Rippenquallen stoßen in Not zudem funkelnde Schleier aus, um Verfolger zu irritieren und ihnen zu entkommen. Einige Tintenfische werfen sogar eine biolumineszente Armspitze ab – offenbar ein verschmerzbares Opfer.

Ein globales Informationsnetz der Lichter

Jedes dieser Manöver versetzt die Angreifer selbst ins Rampenlicht und damit ins Dilemma, womöglich die Gier eines größeren Mauls anzulocken. Auch das „Meeresleuchten“ mariner Einzeller, das ganze Buchten in mancher Nacht bläulich schimmern lässt, deuten Wissenschaftler als einen solchen Bewegungsmelderalarm: Garnelen und Krebse, die diesen Einzellern nachstellen, treten mit ihren Umrissen aus der illuminierten Masse hervor. So riskieren sie, selbst gefressen zu werden – und suchen lieber das Weite.

WARNRUFE ALSO, Angstschreie, Wutgebrüll und betörende Flirts: Vom seichten Ufer bis hinab zu den dunkelsten Abgründen funkeln und flimmern Abermillionen Botschaften durch die Meere – ein globales Informationsnetz der Lichter.

Erst kürzlich haben Kollegen Grubers versucht, das Ausmaß des Biolumineszenz-Sprachgewirrs aus der Analyse von 350 000 Einzelbeobachtungen abzuschätzen. Ihr Ergebnis: Mehr als 75 Prozent aller Ozeantiere nehmen am Leuchtfeuer teil! Eine gigantische Zahl – vor allem, wenn man bedenkt, dass die Meere mehr als 95 Prozent der irdischen Biosphäre umfassen. In der Tiefsee, dem wiederum größten Teil der Unterwasserwelt, sollen sogar 90 Prozent aller Kreaturen mit Leuchtorganen gerüstet sein. Gruber glaubt: „Lichtzeichen sind wahrscheinlich die wichtigste Kommunikationsform der Biologie.“ Nur wir Menschen hätten bislang davon wenig mitbekommen.

Forschungsstation für die Tiefe in New Yorker Hochhaus

Ihre größten Verbreitungsgebiete, die Meere, sind eben schwer zu durchschauen. Auch Wissenschaftler bleiben meist an der Oberfläche. Es ist, „als versuche man nachts aus dem Flugzeugfenster heraus alle Lichter New Yorks zu entschlüsseln“, sagt Gruber.

Er sucht nach anderen Perspektiven: Der Wissenschaftler möchte die Ozeane und ihre Leuchtsignale genauso betrachten, wie es die Meeresbewohner selbst können. Und er ist überzeugt, auf diese Weise nicht nur das Leben unter den Wellen genauer kennenzulernen, sondern zugleich auf Substanzen zu stoßen, die uns auch in eine andere rätselhafte Tiefe hineinschauen lassen werden: in uns selbst.

Baruch College, ein Hochhaus mit 16 Stockwerken mitten in Manhattan, Lexington Avenue, Ecke 23ste Straße. An diesem für die Meeresforschung eher ungewöhnlichen Ort, siebte Etage, trägt David Gruber die Beute aus seinen Expeditionen zusammen. Kein Wasser in Sicht, nur Stahlbeton und das flackernde Lichtermeer aus Bürofenstern, Reklametafeln und Autokolonnen.

„Als Basislager perfekt“, findet Gruber. Er liebe New Yorks Energie, die Vernetzung der Stadt mit dem Rest der Welt.

Doch er schwärmt für die Ferne.

Kameras, Drucker und Kabel helfen bei der Übersetzung

Gerade ist er aus Grönland zurückgekehrt, seine Fingerspitzen vom Tauchen im Eiswasser noch leicht taub. In der Tiefkühltruhe seines Labors stapeln sich die Gewebeproben mariner Leuchtkreaturen. Über den Boden verstreut: Haufen aus Unterwasserkameras, selbst gebauten Platinen und Lampen in tiefseetauglichen Druckgehäusen, Stecker und Kabel.

Es sind Grubers Lotsen und Dolmetscher, mit denen er sich den Lichtsprachen in den Weltmeeren nähert. Wahnwitzig anmutende Instrumente schleppt er dafür auf seinen Reisen mit: ferngesteuerte Kameras etwa, die lichtempfindlicher als das menschliche Auge sind. Kleine Tauchroboter. Oder den „Exosuit“, eine Rüstung aus Aluminiumsegmenten, die Tauchgänge in bis zu 300 Meter Tiefe erlaubt.

Aus einem der größten Stapel in seinem Büro fördert Gruber stolz seine jüngste Erfindung hervor: eine Kamera, die auf blaue, rote und gelbe Teile des Sonnenlichts mit getrennten Sensoren reagiert. Für jedes Pixel des Bildes lässt sich so festlegen, wie empfindlich es die verschiedenen Wellenlängen des Lichtspektrums einfangen soll.

Ein variables künstliches Auge: Das Sehvermögen des Homo sapiens, der relativ gleichmäßig Lichtwellen zwischen 400 (violett) und 750 Nanometer (rot) erfasst, kann die Kamera ebenso simulieren wie das von Meerestieren, die sich auf kleinere Abschnitte aus dem Lichtspektrum spezialisiert haben. Rochen und Haie etwa.

„Wir stehen am Beginn einer neuen Ära in der Entdeckungsgeschichte“, sagt Gruber: „Erstmals verfügen wir über Technologien, um mit den Tieren des Ozeans in Verbindung zu treten.“

So dokumentierten Kollegen von Gruber vor Japan mit einer Kamerafalle, die den biolumineszenten Glanz einer Tiefseemeduse nachahmt, zum ersten Mal einen Angriff des sagenumwobenen Riesenkalmars Architeuthis. Roboter wie das Unterwasservehikel „Doc Rickett“ des Monterey Bay Resarch Institute können kleinere, hochsensible Lichtgestalten der Tiefsee in Plexiglasfallen fangen, die ferngesteuert vom Forschungsschiff aus verschlossen und dann an Bord gehievt werden. Damit bleiben die Tiere und ihre Leuchtorgane für eine sofortige Analyse intakt.

Ausmaß und Verteilung der Biolumineszenz in den Meeren messen torpedoförmige Sonden inzwischen autonom; auf vorgegebenem Kurs kreuzen sie wochenlang vor den Küsten. Und biochemische Analysen enthüllen nach und nach auch das molekulare Vokabular, mit dem Fische, Quallen und Kopffüßer ihre Morsezeichen erstellen.

Biolumineszenz lassen Forscher träumen

Die Kraft, aktiv Licht zu erzeugen, scheinen Tiere demnach im Lauf der Evolution allein in den Weltmeeren mehr als 40-mal unabhängig voneinander erfunden zu haben! Offenbar lohnt es sich.

Doch so vielfältig die über Jahrmillionen dafür entwickelten Moleküle auch sind, ihr Zusammenspiel folgt im Grunde demselben Prinzip: Ein „Brennstoff“ (Luzifirin genannt) reagiert, angetrieben von einem „Zünder“-Enzym (der Luziferase), mit Sauerstoff – entweder in spezifischen Zellen der Lichtwesen selbst oder im Inneren von Bakterien, die als Untermieter in den Geweben hausen. Manche Tiere greifen auch gleich auf vorgeladene Eiweißkomplexe (Photoproteine) zurück, die alle notwendigen Zutaten für das Leuchten in sich vereinen – und nur noch Kalzium- oder Magnesiumionen zur Zündung benötigen.

Für sämtliche Varianten dieses Verbrennungsprozesses gilt: Sie sind äußerst effizient. Nicht einmal fünf Prozent der entstehenden Energie geht als Wärme verloren, viel weniger als zum Beispiel in LED-Lampen. Der Rest wird in Licht umgesetzt. Ingenieure träumen daher bereits von biolumineszenten Bäumen, die Straßenlaternen ersetzen. Oder von Radwegen, die nachts blaugrün schimmern.

Erkenntnisse aus der Tiefsee für die Medizin

Vor allem aber versprechen Lichtmoleküle aus Fischen, Seescheiden oder Ruderfußkrebsen neue Einsichten in der medizinischen Diagnostik. Als mikroskopische Leuchtfeuer könnten sie erhellen, wie Proteine, Hormone und Zellorganellen in unserem Körper zusammenwirken.

Sie machen sichtbar, was eigentlich unsichtbar ist: die biochemische Maschinerie im Innern unserer Blutbahnen und Gewebe.

An Immunzellen gekoppelt, die Zellgifte oder Krankheitskeime wie Streptokokken angreifen, zeigen Photonen-Spione zum Beispiel schon jetzt kleinste Spuren der Fremdkörper gleißend an. Auch wie Krebsgeschwüre sich ausbreiten, lässt sich mit ihnen verfolgen. Oder wie Nervenzellen Signale austauschen, Virengeschwader auf einen Medikamentenbeschuss reagieren.

Für einige dieser Anwendungen verlassen sich Mediziner und Pharmakologen schlicht auf den Lichtalarm, mit dem Biolumineszenzproteine auf Ströme aus Kalziumionen anspringen – einen der wichtigsten biochemischen Hilfsstoffe für die intrazelluläre Signalübertragung. Zumeist jedoch schleusen die Wissenschaftler die Leuchtmittel noch gezielter an ihren Einsatzort: Sie heften die Bauanleitung für sie an die DNA-Sequenzen der Proteine, die sie in den Zellen beobachten wollen. Sobald die Verfolgten aktiv werden, springt auch der Lichtsensor an.

Immer tiefer und detaillierter hoffen Forscher in Zukunft mithilfe von neuen biolumineszenten Agenten Krankheiten verfolgen und so schließlich auch besser bekämpfen zu können. Vorausgesetzt: Abenteurern wie Gruber gelingt es, die passenden Leuchtproteine dafür zu finden.

DER AMERIKANER fahndet schon lange nach solchen Stoffen, die medizinisch zu nutzen sind. Bisher haben ihn seine Expeditionen dabei allerdings vor allem in eine andere, mit der Biolumineszenz eng verbundene und noch rätselhaftere Welt der Lichter geführt: in die „Biofluoreszenz“.

Zahlreiche Tiere aus Wasserschichten nahe der Oberfläche, in denen das Sonnenlicht noch nicht völlig verblasst, produzieren zwar keine eigenen (also „biolumineszenten“) Signale. Aber sie sind imstande, das blaue Restlicht ihrer Umgebung aufzunehmen und es in grüne, orangefarbene oder rötliche Leuchtmuster umzuwandeln. Sie wirken wie ein Reflektor. Sie fluoreszieren.

Das grüne Fluoreszenz-Protein (GFP) der Pazifikqualle Aequorea victoria etwa, für dessen Entdeckung und gentechnische Veränderung ein amerikanisch-japanisches Biologentrio 2008 den Nobelpreis erhielt, gilt in der Analyse molekularer Prozesse inzwischen als Standardwerkzeug. Es kann noch flexibler als seine biolumineszenten Verwandten modifiziert werden. Sein Nachteil: Um das GFP zu entflammen, müssen die Forscher die Zellen mit energiereichen Lichtimpulsen bestrahlen. Untersuchungen an sehr tiefen oder sensiblen Gewebeschichten im Körper werden so fast unmöglich: Die Laserstrahlen drohen die Zellen zu schädigen, und das grüne Leuchten reicht nicht sehr weit.

Grubers Team sucht nach anderen Fluoreszenz-Molekülen – insbesondere nach solchen, die möglichst langwellige, rote Lichtmuster abstrahlen und das Gewebe so besser durchdringen. Sie wollen sie als Späher zu den noch kaum erforschten inneren Hirnregionen des Menschen schicken, den Ursprung des Denkens kartieren.

Bei ihrer Fahndung nach Kandidaten für diese Mission sind die Forscher vor acht Jahren zum ersten Mal zu den artenreichsten Korallenriffen der Welt aufgebrochen, im Westpazifik. Um dort, in der dicht gedrängten Unterwassermenagerie, auch schwache Fluoreszenzsignale zu orten, die mit dem menschlichen Auge im Tageslicht nicht erkennbar wären, nutzten sie eine List: Sie tauchten stets nachts, in vollkommener Dunkelheit, bis zu 40 Meter tief. Dabei führten sie Scheinwerfer mit, die in dutzendfacher Verstärkung genau jenes blaue, gefilterte Sonnenlicht imitieren, das tagsüber die Korallenbank überflutet.

„Das Ergebnis war überwältigend“, erzählt Gruber: Nicht bloß Korallen, Quallen und Anemonen strahlten auf einmal in psychedelischen Farben. Auch an den Flossen und Flanken von Aalen und Haien, Eidechsenfischen und Seepferdchen, Rochen und sogar Meeresschildkröten traten nun bunt fluoreszierende Ornamente hervor.

Der Nutzen der Fluoreszenz


In mehr als 180 Fischarten haben Gruber und seine Kollegen seither diese Leuchtkräfte aufgespürt. Andere Wissenschaftler entdeckten sie bei Skorpionen, tropischen Fleischfresserpflanzen, Schmetterlingen und Papageien. Wozu aber nutzen all diese Kreaturen die Fluoreszenz?

Darüber weiß man noch wenig. Kalifornische Forscher konnten im Labor nachweisen, dass Medusen mit fluoreszenten Tentakeln besonders gut Beute anlocken. Auch Fangschreckenkrebse und Seeanemonen scheinen die schrillen Farben als Lichtköder einzusetzen.

In vielen anderen Fluoreszenzen jedoch, wie von Wüstenskorpionen oder von Chlorophyll, sehen viele Experten allein den Zufall am Werk. Auch unsere eigenen Fingernägel und Zähne leuchten schließlich unter UV-Licht fluoreszierend auf. Ist David Gruber also, wenn er von Lichtsprachen glühender Haie und Schildkröten schwärmt, letztlich ein Blender?

Um seine Einsichten zu belegen, baut der Forscher im Dunkeln seines New Yorker Labors ein „Fischauge“ auf: eine hochempfindliche Kamera, ausgestattet mit einem besonderen Gelbfilter.

Dutzende Meeresarten wie Eidechsen- oder Laternenfische tragen ganz ähnliche Filter in ihren Augen. So können sie Muster und Zeichen in Blau und Grün, den bedeutendsten Farben im Unterwasserreich, besser erkennen als wir.

Und tatsächlich: Als der Forscher nun Proben von solchen Fischen aus seiner Kühltruhe holt und sie auf dem Labortisch in eben jenes tiefblaue Licht taucht, mit dem er auch an den Tropenriffen das Sonnenlicht im Meer nachgeahmt hat, nimmt die Kamera plötzlich eine ganz andere Realität als das menschliche Auge wahr. An den Fischkörpern, die erst gleichmäßig blau wirkten, zeichnen sich leuchtende Schlangen- und Netzmuster ab. Klare Strukturen, die laut Gruber von Art zu Art variieren, bei einigen sogar nach Geschlechtern verschieden sind. „Eine entscheidende Hilfe, um in der Dämmerung an den Riffen den richtigen Partner zu finden“, vermutet Gruber.

Die Fluoreszenz als Erkennungsmerkmal, ein Code unter Gleichgesinnten – wenn man sie sieht wie ein Fisch, scheinen die leuchtenden Hieroglyphen auf einmal Sinn zu ergeben.

Auch Gruber gibt zu: Längst nicht alle schillernden Muster im Meer sind so zu erklären. Weshalb etwa 97 Prozent aller Hartkorallen der Tropen fluoreszieren, bleibt nach wie vor rätselhaft.

Eigene Matrix aus Farben- und Lichtsignalen

Aber das Beispiel der Fischaugenkamera lässt ahnen, wie viele Schichten der Wirklichkeit für uns ohne technische Hilfsmittel nicht zu erkennen sind. „Wesen, die wir für primitiv halten, wie Korallen und Quallen, beherrschen im Ozean eine ganz eigene Matrix aus Farben- und Lichtsignalen. Wir sollten sie dafür achten“, sagt Gruber. „Sie haben Superkräfte, von denen wir Menschen nur träumen – und umso mehr lernen können.“

Als Nächstes möchte der Forscher mit seiner neuen dreisensorigen Kamera das Auge von Meeresschildkröten nachahmen und ihre Leuchtmuster dechiffrieren. So wie er vor Kurzem endlich das Geheimnis der Blitzlichtfische vor Mborokua entziffert hat. Auf einer neuen Expedition tauchte Gruber zur Höhle der Salomonen-Insel zurück, in der er damals die Leuchtdebatte verfolgt hatte. Diesmal nahm er eine Gehilfin mit: eine Spezialkamera, die das Geschehen mit 100 Bildern pro Sekunde aufnahm und dabei die Intensität jedes Lichtstrahls in 64 000 Abstufungen registrierte.

So kam heraus: Einige „Anführer“ aus dem Schwarm dirigieren die anderen mit besonders lichtstarken Blitzen. Sie geben die Richtung vor, in der sich die Gruppe hinaus in den Ozean wagt. Ins Unbekannte.
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Geändert von BLACKY74 (18.04.20 um 02:22 Uhr)
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