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myGully |
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06.06.18, 19:03
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#1
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Legende
Registriert seit: Aug 2011
Ort: in der Wildnis
Beiträge: 15.633
Bedankt: 34.760
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Kirchen: jährlich eine halbe Milliarde extra - wegen eines 200 Jahre alten Deals
Zitat:
Im vergangenen Jahr haben die Länder den beiden Kirchen mehr las eine halbe Milliarde Euro gezahlt. Grundlage dafür ist ein Abkommen, das laut Verfassung schon seit 100 Jahren abgeschafft werden soll. Im Jahr 2017 gab es einen neuen Rekord bei den zweckungebundenen Staatszahlungen an die Kirchen: 538 Milliarden Euro flossen.
Die deutsche Verfassung stellt seit knapp 100 Jahren einen Auftrag an die Regierung, der seit eben genauso vielen Jahren konsequent ignoriert wird: Die Beendigung von Sonderzahlungen an die beiden großen deutschen Kirchen. Rund 500 Millionen Euro zahlen die Bundesländer nämlich pro Jahr an die katholische und evangelische Kirche - und zwar nicht für deren gesellschaftlichen Dienste. Das Geld fließt eben nicht für den Betrieb von Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen. Auch mit der Kirchensteuer, die der Staat freundlicherweise für die Kirchen eintreibt und den Bürgern direkt vom Gehalt abzwackt, hat dieses Geld nichts zu tun.
Es fließt zusätzlich zu alldem.
Einmal im Jahr rechnet die "Humanistische Union" aus, wie viel die Kirchen im vergangenen Jahr von allen Bundesländern - mit Ausnahme von Hamburg und Bremen - bekommen hat. Aktuell meldet die religionskritische Vereinigung einen neuen Rekord: Rund 538 Millionen Euro, und damit 14 Millionen mehr als im Jahr davor, seien 2017 geflossen. Und wofür? Darüber müssen die Kirche keine Rechenschaft anlegen, es handelt sich um zweckbindungsfreie Zahlungen. Ihren Ursprung haben die Zahlungen tief in der deutschen Geschichte, zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation: Im Jahr 1803 enteignete der Staat damals die Kirchen, verleibte sich Ländereien und Vermögen ein. Im Gegenzug verpflichtete man sich dazu, die Kirche dafür künftig zu bezahlen. Die Staatszahlungen waren geboren.
Mehr als 100 Jahre flossen diese zunächst, ohne dass irgendwer daran was ändern wollte. Erst den Grundervätern der Weimarer Republik waren die Zahlungen ein Dorn im Auge. Sie schrieben in der Verfassung 1919 fest: "Die (...) Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf." 30 Jahre später, zur Gründung der Bundesrepublik war das noch nicht passiert, das Geld floss nach wie vor jährlich an beide Kirchen. Also wurde eben dieser Artikel auch ins Grundgesetz mit aufgenommen, als Auftrag, diese Leistung doch bitte abzulösen, also einzustellen.
Und damit sind wir in der Gegenwart. Bis heute hat sich nichts daran geändert. Jährlich werden die Kirchen mit einem immensen Millionenbetrag dafür entschädigt, dass sie ein Vor-Vor-Vor-Vorgänger-Staat vor mehr als 200 Jahren enteignet hat. Nach Schätzungen der "Humanistischen Union" sind so allein in den Nachkriegsjahren mehr als 17 Milliarden Euro zusammengekommen. Die Zahlungen werden tendenziell auch mehr, weil sie an die Beamtenbesoldung gekoppelt seien - und das obwohl die Kirchen immer weniger Mitglieder zählen. Doch die Bundespolitik ignoriert das Problem einfach. Weder gibt es die geforderten "Grundsätze", noch die anschließende "Landesgesetzgebung".
Bundesregierung sah 2014 "keinen Handlungsbedarf"
Bereits 2016 fragte der stern bei der Kirche nach: Die damals kursierende Zahl von knapp 16 Milliarden seit Ende des Krieges bezeichnete Thomas Begrich, Abteilungsleiter Finanzen bei der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), als "vermutlich richtig". Wie viel Geld in den 150 Jahren vor Ende des Zweiten Weltkriegs bezahlt wurde, kann wohl niemand beziffern. Ganz zu schweigen von der Frage, ob die Zahlungen noch in irgendeinem Verhältnis zu dem Vermögensverlust der Kirchen im 18. und 19. Jahrhundert stehen. Die Zahlungsverpflichtung existiert trotzdem weiter. Ungeprüft. Die Humanistische Union sprach bereits von einer "ewigen Rente" für die Kirchen.
Die Bundestagsfraktion der Linken versuchte es 2014 einmal mit einer kleinen Anfrage an die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung. Ob es denn nicht Sinn machen würden, eine Kommission einzurichten, die überprüft, in welchem Verhältnis geleistete Zahlungen zum damaligen Schaden stehen. Die Bundesregierung aber sah "keinen Handlungsbedarf". Weder wolle sie eine Kommission einrichten, noch die vom Grundgesetz geforderten "Grundsätze" formulieren. "Der Bund selbst ist nicht Schuldner der Staatsleistung", heißt es in dem Antwortschreiben. Es stehe den Ländern, die in der Zahlungsverpflichtung seien, allerdings frei, selbst neue Verträge mit den Landeskirchen auszuhandeln. So schob Schwarz-Gelb die Verantwortung einfach weiter.
Die Frage nach der Entschädigung
Experten gehen davon aus, dass eine Ablösung der jährlichen Zahlungen nur durch eine hohe Einmalzahlung möglich sei. Überlegungen gehen vom Zehn- über das Zwanzigfache bis hin zum Vierzigfachen. "Die Ablösung eines Rechtsanspruchs ohne Entschädigung wirkt wie eine Enteignung", sagte der evangelische Oberkirchenrat Thomas Begrich bereits 2016 dem stern. Das klingt dramatisch - wer befürwortet schon eine Enteignung - und dreht die Rolle der Kirche um: vom Profiteur zum potenziellen Opfer. Hinter diesem juristischen Schutzschild haben sich die Kirchen bequem eingerichtet. So beteuern EKD und DBK seit Jahren, sie seien gesprächsbereit. Zugleich aber signalisieren sie den Ländern, dass ein Deal sehr teuer werden würde. "Es ist die Angst vor der Behauptung großer Entschädigungssummen, die alles blockiert", sagte damals Johann-Albrecht Haupt von der Humanistischen Union dem stern. Seiner Ansicht nach müssten die Länder keinen Cent mehr zahlen.
Aktuell regt sich erneut Widerstand gegen die Zahlungen. Der Präsident des niedersächsischen Staatsgerichtshofs, Herwig van Nieuwland, fordert ein Ende der Staatsleistungen der Bundesländer an die großen Kirchen. "Es wäre staatsrechtlich sauber, wenn man die Staatsleistungen ablöst", sagte van Nieuwland der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Dies sei "ein noch nicht eingelöster Auftrag unserer Verfassung". Der Staatsgerichtshofspräsident verwies dabei auf Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 138, Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung. Bisher unterblieben jedoch ernsthafte Anstrengungen, dieses Thema voranzutreiben. "Da will wohl in der Politik keiner ran."
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Die folgenden 3 Mitglieder haben sich bei TinyTimm bedankt:
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06.06.18, 20:00
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#2
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Chuck Norris
Registriert seit: Apr 2009
Beiträge: 4.745
Bedankt: 11.467
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Moin,
warum geht keine Regierung dieses Thema an? Gut, bei einer CDU/CSU geführten Regierung ist das für mich, wenn auch nicht gutzuheissen, so doch wenigstens nachzuvollziehen. Aber welchen Grund hatte rot grün? Mir würden ja schon ein paar Gründe einfallen. Angst vor einem unangenehmen Thema zum Beispiel. Aber ich will nicht wahrhaben das eine Regierung eine halbe Milliarde zum Fenster raushaut nur um sich keinen Stress zu machen.
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Wenn Kik den Preis pro Shirt um einen Euro erhöht um seinen Mitarbeitern ein besseres Gehalt zu zahlen, dann finden wir das alle gut.
Und dann gehen wir zu Takko einkaufen ...
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Folgendes Mitglied bedankte sich bei Melvin van Horne:
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07.06.18, 01:38
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#3
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It's me..
Registriert seit: Oct 2012
Beiträge: 1.124
Bedankt: 1.899
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Zitat:
Im Jahr 2017 gab es einen neuen Rekord bei den zweckungebundenen Staatszahlungen an die Kirchen: 538 Milliarden Euro flossen.
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Das wäre wohl doch etwas sehr viel..
Zitat:
Aktuell meldet die religionskritische Vereinigung einen neuen Rekord: Rund 538 Millionen Euro
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Selbst mit 3 Nullen weniger immernoch ein ganz schöner Batzen Geld...
Würden das Geld doch lieber in marode Schulen investieren!
Da kommt mir wieder die Geschichte vom Protz-Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hoch. Ist ja genug Geld da, um alles vergolden zu lassen.
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Folgendes Mitglied bedankte sich bei mysteryy:
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07.06.18, 16:42
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#4
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Echter Freak
Registriert seit: Jun 2010
Beiträge: 2.245
Bedankt: 3.933
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Auf anderen Gebieten werden dauernd "liebgewordene Privilegien" und "verkrustete Strukturen" angegangen, besonders wenn es Lohnabhängige betrifft.
Warum nicht hier?
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"Wir müssen friedenstüchtig werden"
(Boris Pistolius, dt. Philosoph)
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Folgendes Mitglied bedankte sich bei nolte:
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07.06.18, 17:14
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#5
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AZOR AHAI
Registriert seit: Aug 2013
Beiträge: 4.894
Bedankt: 21.182
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Deswegen
Zitat:
Experten gehen davon aus, dass eine Ablösung der jährlichen Zahlungen nur durch eine hohe Einmalzahlung möglich sei. Überlegungen gehen vom Zehn- über das Zwanzigfache bis hin zum Vierzigfachen.
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Bei einem bis Vierzigfachen von ~500 Millionen als Ablöse wird schon ziemlich eng im nächsten Bundeshaushalt. Da heisst es den Gürtel enger schnallen. Logischerweise spart man dann von unten nach oben ^^
Fraglich ist auch, ob die Kirchen überhaupt diese Einigung wollen, bzw. machen müssen. Bei einer maximalen Ablösesumme von rund Zwanzig Milliarden Euro (20.000.000.000,--) im Klingelbeutel klingt schon mal verlockend, aber da lohnt sich ein zweiter Blick:
Der Seelenfrieden ist bekanntlich für die himmlische Ewigkeit. hahahaha, was ist nach 40 Jahren ??? Es wäre ein schlechter Deal für die Kirchen.
Der Teufel hätte es nicht besser gekonnt:
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Die folgenden 2 Mitglieder haben sich bei MotherFocker bedankt:
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08.06.18, 10:40
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#6
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Master of Desaster
Registriert seit: Dec 2014
Beiträge: 3.980
Bedankt: 3.003
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Und letztendlich erfreuen sich auch die Kirchen, das Ihre Rentner auch noch vom Buerger durchfinanziert werden. Soviel Charme muss man erst einmal in das Volk missionieren.
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09.06.18, 05:53
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#7
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Erfahrenes Mitglied
Registriert seit: Sep 2008
Beiträge: 690
Bedankt: 1.642
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Die Kirche und das Geld (ArteHD) 2015 - 74min 720p
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Die Story im Ersten - Gott hat hohe Nebenkosten - Wer wirklich für die Kirche zahlt (ARD-HD) 43min 720p
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Die Story im Ersten - Vergelt's Gott - Der verborgene Reichtum der katholischen Kirche (ARD) 2014 - 45min 360p
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Die folgenden 4 Mitglieder haben sich bei sydneyfan bedankt:
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