[BLACKY74]

Trump und Corona
Der kleine Diktator

Der US-Präsident rät jetzt zur Maske, trägt aber selbst keine. Kein Wunder: Seine Wahlkampfstrategie - die Niederlage vor Augen - hat nichts mit Gesundheitsschutz zu tun, sondern mit erfundenen Gefahren.


Donald Trump beim Verlassen der Air Force One in Morristown, New Jersey
Foto: Brendan Smialowski/ AFP

Eine Kolumne von Christian Stöcker
26.07.2020, 19.29 Uhr

Der republikanische Abgeordnete [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] auf den Stufen des Kapitols in Washington in Hörweite eines Journalisten diese Woche als "fucking bitch", was hier nicht übersetzt werden soll. Das ist der politische Tonfall dieses US-Wahlkampfs. Zivilisation war gestern.

Yoho vertritt im Repräsentantenhaus Florida, einen der [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] also, mit schon jetzt weit über 5000 Todesopfern. In den meisten [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] liegt Kandidat Joe Biden klar vor Präsident Trump.

Moralisch bankrott

Der Zusammenstoß zwischen Yoho und Ocasio-Cortez - es ging darin eigentlich um den Zusammenhang zwischen Corona, Arbeitslosigkeit und Kriminalität - ist symptomatisch für die neue Stufe der Tragik der USA. Die Pandemie wütet weiter erbarmungslos, tötet täglich viele Hundert Menschen. Doch der Präsident ist augenscheinlich weiterhin kaum an der Bekämpfung der Katastrophe interessiert. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Trump sich diese Woche endlich dazu durchrang, das Tragen von Masken zu empfehlen. Er hat auf das Thema Pandemie schlicht keine Lust.

Seine Inkompetenz und Korruption sind für jeden sichtbar, der sie sehen will. Aber die Republikaner wollen weiterhin nicht, obwohl die Gefahr besteht, dass Trump sie mit in den Abgrund reißt. Diese Woche wünschte Trump der mutmaßlichen Sexualstraftäterin Ghislaine Maxwell "alles Gute". Zudem wurde bekannt, dass sein Justizminister wohl mit Erpressermethoden versucht, [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Trump selbst soll seinen Botschafter in Großbritannien [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Noch vor wenigen Jahren hätte jede dieser Meldungen einen Skandal ausgelöst. Trump zersetzt das moralische Klima immer weiter.

Bei Richard Nixon abgeschaut

Der Präsident und die an ihn gefesselte, moralisch bankrotte Partei [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Sie wollen, im Angesicht katastrophaler Umfragewerte für den Präsidenten, offenbar lieber nur die Demokraten bekämpfen, und zwar mit einer Strategie, die sie sich ausgerechnet bei Richard Nixon abgeschaut haben. Der gewann die Präsidentschaftswahlen im Jahr 1968 mit dem Slogan "Law and Order".

Diese Wahlkampfstrategie zeigt sich in Trumps Tweets, unter denen sich in jüngerer Zeit immer mal ein kontextfrei in Großbuchstaben hervorgebrülltes "LAW AND ORDER!" findet. Sie zeigt sich in den [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ], in denen eine ältere Dame verzweifelt die Polizei anruft, aber an einer Hotline scheitert, weil die Demokraten - so die haltlose Behauptung des Spots - die Polizei kaputtgespart haben. "[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]" hat die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak solche Strategien genannt.

"Nicht die persönliche Miliz des Präsidenten"

Wirklich gefährlich ist die dritte Ausprägung der Wahlkampfstrategie: Die aus diversen Behörden zusammengezogenen bewaffneten und militärisch ausstaffierten Beamten, die Trumps kommissarischer Heimatschutzminister Chad Wolf und Justizminister William Barr jetzt in von demokratischen Bürgermeistern regierte Städte entsenden, ohne deren Wissen oder sogar gegen deren Willen. Viele davon entstammen der [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ].

Das Heimatschutzministerium wurde nach den Anschlägen des 11. September 2001 eingerichtet. Der erste, der es damals leitete, war der Republikaner Tom Ridge, ein ehemaliger Gouverneur von Pennsylvania. Ridge sagte diese Woche in einem Radiointerview, er als Gouverneur hätte eine "unilaterale, nicht eingeladene Intervention in einer meiner Städte" niemals akzeptiert. Das Heimatschutzministerium sei nicht geschaffen worden, um "[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]" herzuhalten.

Jetzt doch wieder American Carnage?

Die aus diversen Behörden abgezogenen Beamten, die Justizminister Barr nun in weitere Städte entsendet , sollen ihm zufolge jetzt nicht mehr primär gegen [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]-Demonstranten vorgehen, sondern "klassische Verbrechensbekämpfung" übernehmen. Tatsächlich aber sollen sie vor allem eins tun: das Narrativ unterstützen, dass unter demokratischer Führerschaft Chaos ausbreche, dass "gewalttätige Mobs" und "gesetzlose Anarchisten" mitten in Amerika die Ordnung bedrohten.

Bei seinem Amtsantritt hatte Trump behauptet, es herrsche Chaos in den Städten der USA und er werde das richten ("american carnage"). Zwischendurch hatte er das angeblich erreicht. All das scheint jetzt vorbei.

Schon seit Wochen versuchen Trump, Fox News und andere Propagandaeinrichtungen der amerikanischen Rechten wie das sogenannte [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] etwa die Fiktion zu etablieren, dass überall in den USA bewaffnete "Antifa"-Horden nur darauf warten, die Herrschaft an sich zu reißen.

"Aus dem Handbuch für nahöstliche Diktatoren"

In manchen US-Kleinstädten versammelten sich tatsächlich schwer bewaffnete Bürger auf den Straßen, [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Die natürlich [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ].

Trumps Wahlkämpfer und ihre Unterstützer versuchen derzeit verzweifelt, eine fiktive Version der USA heraufzubeschwören, in der wahlweise Kriminelle, Black-Lives-Matter-Aktivisten, Linksradikale oder eben "gesetzlose Anarchisten" dabei sind, das Land ins Chaos zu stürzen. Und nicht etwa Trumps desaströse Reaktion auf die Pandemie. Der durchsichtige Schachzug wirkt wie ein Verzweiflungsakt - ein gefährlicher.

Assoziation Assad

Mit der rechtsstaatlich fragwürdigen Entscheidung, paramilitärische Einheiten ohne klare Kennzeichnung und Legitimation nach Portland, Oregon, und womöglich in andere US-Städte zu entsenden, hat Trumps Regierung ein weiteres Tabu gebrochen. Viele entsetzte US-Kommentatoren erkennen in der Einrichtung der sogenannten Protecting American Communities Task Force, kurz PACT, und der jetzt nachgeschobenen "[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]" [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ].

[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] - ihn erinnerte Trumps Taktik an Baschar al-Assad: "Das hier stammt so direkt aus dem Handbuch für nahöstliche Diktatoren, es ist Furcht einflößend."

Quelle:[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]