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Rettungsassistent: ICH BRENNE LANGSAM AUS"

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Ungelesen 14.11.18, 10:56   #1
pauli8
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Standard Rettungsassistent: ICH BRENNE LANGSAM AUS"

Zitat:
Rettungsassistent
"ICH BRENNE LANGSAM AUS"

13. November 2018, 20:04 Uhr
Protokoll: Bernadette Mittermeier



Er kommt, wenn man den Krankenwagen ruft. Er liebt den Druck, kritisiert aber die Überlastung – und die Bezahlung.

Das anonyme Gehaltsprotokoll eines Rettungsassistenten
Alter: 25
Beruf: Rettungsassistent
Gehalt: 2.587 Brutto + Zulagen

Dass ausgerechnet ich übrig bleibe, hätte vermutlich keiner gedacht. In meiner Ausbildungsklasse waren wir am Anfang 32 Schüler. Geblieben sind am Ende nur zwei, die als Rettungsassistenten arbeiten. Einer davon bin ich, obwohl ich immer derjenige war, der schnell hinschmeißt. Mein Lebenslauf ist chaotisch: Gymnasium, Internat, Hauptschule, gescheiterte Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, FSJ, Sicherheitsdienst. Mich hat es nirgendwo lange gehalten. Bis jetzt.

Bei der Ausbildung zum Rettungsassistenten habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass ich lernen kann. Das lag mir nie, ich habe immer gefragt, warum ich etwas lernen soll. Hier war die Antwort klar: Weil das Wissen den Patienten hilft. Viele sehen den Rettungsdienst nur als Übergangslösung, um die Wartesemester bis zum Medizinstudium zu überbrücken.

Für mich ist es der erste Job, bei dem ich mir vorstellen kann, ihn bis zur Rente zu machen – und trotzdem war ich vor einigen Monaten kurz davor, alles hinzuschmeißen. Wegen der Bezahlung, der ständigen Überlastung durch Überstunden und der fehlenden Freizeit.
Im Rettungsdienst stehe ich unter großem Druck: Wir sind als erste da, wenn jemand in Lebensgefahr schwebt. Bei rund drei von zehn Einsätzen geht es um Zeit: Bei einem Schlaganfall werden die Schäden mit jeder Minute schlimmer. Innerhalb von vier Stunden müssen wir in der Klinik sein, nachdem die Symptome angefangen haben, danach sind die Schäden eventuell irreversibel. Vier Stunden klingen lang, aber oft erkennen die Patienten die Symptome nicht gleich oder warten erst mal auf Besserung – dann steigt der Zeitdruck.

"ICH ERINNERE MICH AN EINE JUNGE FRAU, SIE WAR 26"

Es ist aber auch der Druck, der mir an dem Job so gefällt. Ich bin gut, wenn es wirklich um was geht. Im Rettungswagen bin ich mein eigener Chef, da atmet mir kein Vorgesetzter über die Schulter. Solange ich meine Arbeit gut erledige, redet mir niemand rein.
Natürlich sterben auch Menschen im Einsatz. Meist sind die Patienten schwer vorerkrankt. Die wirklich dramatischen Fälle wie tödliche Unfälle oder Kinder und junge Erwachsene sind selten. Aber an die erinnert man sich gut.

Ich erinnere mich an eine junge Frau, sie war 26, ungefähr in meinem Alter. Sie hatte eine schwere Lungenerkrankung und deshalb eine Lunge transplantiert bekommen. Doch ihr Körper hatte die Spenderlunge abgestoßen. Sie litt unter ihrer ständigen Atemnot, und darunter, im Rollstuhl zu sitzen. Um das zu ertragen nahm sie Drogen. Als das herauskam, verlor sie ihren Platz auf der Transplantationsliste und sie hatte keine Chance mehr auf eine zweite Spenderlunge. Wir wurden gerufen, nachdem ihr Bruder sie leblos in ihrem Zimmer gefunden hatte. Nach erfolgloser Reanimation mussten wir der Familie sagen, dass wir nichts mehr für sie tun können.

Nach Einsätzen wie diesen rede ich mit meinen Kollegen. Unter uns können wir offen sein. Da hat sich viel gebessert, früher gab es mehr Machogehabe, keiner konnte zugeben, wenn ihn ein Einsatz belastet. Heute ist es völlig okay, zuzugeben, dass ein Einsatz mich beschäftigt. Mir ist nur wichtig, dass ich solche Erlebnisse von meinem privaten Leben streng trenne. Bei mir zu Hause wohnt auch meine Großmutter – sie ist älter als viele Patienten, die ich täglich sehe.

Trotzdem gibt es immer wieder Momente, in denen ich zweifle: Erst vor wenigen Monaten war ich kurz davor, alles hinzuwerfen. Ich mache viel für diesen Job. Ich habe über 200 Überstunden angesammelt, ich war in vier Jahren nur viermal krank. Deswegen ärgert mich umso mehr, dass ich nicht fair bezahlt werde.
"
"VOM PFLEGENOTSTAND HAT MAN LANGE NICHTS GEMERKT"

Bei uns ist das Einkommen nach Stufen geregelt: Du bleibst ein Jahr auf der Erfahrungsstufe 1, dann zwei Jahre auf der zweiten Stufe, drei auf der dritten und so weiter. Mit jeder Stufe steigt das monatliche Gehalt um über hundert Euro. Ich habe, jung und dumm, zu Beginn meiner Ausbildung einen Vertrag unterschrieben, dass ich drei Jahre auf Stufe 1 bleibe. Noch dazu war ich anfangs als Rettungssanitäter angestellt, obwohl ich die Arbeit eines Rettungsassistenten gemacht habe.

Als Sanitäter hat man nur eine deutlich kürzere Ausbildung, darf weniger am Patienten machen und verdient rund hundert Euro weniger als ein Assistent. Als ich dann endlich als Assistent eingestellt wurde, hat man mir meine bisherige Erfahrung nicht angerechnet. Ich blieb also auf Stufe 1 und wurde bezahlt wie ein Berufsanfänger.

Solche Verträge sind durchaus üblich, viele meiner Kollegen haben dasselbe Problem. Vom Pflegenotstand, der ja eigentlich ein Dauerzustand ist, hat man im Rettungsdienst lange nichts gemerkt, Bewerber gab es genug. Das ändert sich zum Glück so langsam.

"WENN ERST MAL KNIE UND RÜCKEN KAPUTT SIND, KANN MAN DEN BERUF NICHT MEHR MACHEN."

Ich habe irgendwann gelernt, bessere Bedingungen einzufordern. Ein befreundeter Arzt hat mich zur Seite genommen und mir klar gemacht, dass ich auch mal Nein sagen muss. Wir arbeiten zusammen und ihm war aufgefallen, dass ich so langsam ausbrenne.

Die Arbeit ist sehr fordernd: Wir sind auf der Wache 21 Leute, nur einer davon ist über 50. Wenn erst mal Knie und Rücken kaputt sind, kann man den Beruf nicht mehr machen. Der Arzt hat mir erklärt, dass ich nicht jede Überstunde, jede Extraaufgabe übernehmen muss, mir meine Freizeit nicht mit freiwilligen Fortbildungen vollstopfen soll. Dass ich mich nicht dann erst krankmelden soll, wenn mein Fuß so dick angeschwollen ist, dass ich nicht mal mit Gleitgel in den Schuh komme. Ja, das habe ich mal gemacht.

So habe ich den Spaß an meinem Beruf wiedergefunden. Zurzeit mache ich eine Weiterbildung zum Notfallsanitäter. Der Job ersetzt in Zukunft den Rettungsassistenten. Die Regierung hat das beschlossen, weil es immer weniger Notärzte gibt, vor allem auf dem Land. Außerdem gibt es inzwischen mehr Einsätze als früher, und Deutschland versucht sich an internationale Standards anzugleichen. Deswegen dürfen wir in Zukunft mehr selbst machen: Ich muss zum Beispiel nicht jedes Mal einen Arzt rufen, wenn ich den Patienten selbst behandeln kann. Wenn jemand Diabetes hat und unterzuckert ist etwa – der braucht nur Zucker, dafür muss ich künftig keinen Arzt anrufen. Ich darf als Notfallsanitäter mehr Medikamente verabreichen und bekomme etwas mehr Geld, knapp 200 Euro brutto.

Zurzeit bin ich deswegen in der Klinik und merke, auf die Berufe dort hätte ich keine Lust. Ich bin ein Frontschwein, der Rettungsdienst lässt mich nicht los. Das zusätzliche halbe Jahr in Ausbildung macht Spaß, weil ich genau merke, wo ich das Gelernte später im Rettungswagen brauchen kann. Im stressigen Alltag bleibt kaum Zeit für hochwertige Weiterbildungen.
Deswegen freue ich mich so richtig, endlich wieder zu lernen.
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