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FPÖ: Masse ohne Macht

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Ungelesen 21.10.18, 18:58   #1
Wornat1959
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Standard FPÖ: Masse ohne Macht

Zitat:
FPÖ
Masse ohne Macht

Will die FPÖ mehr direkte Demokratie? Wohl kaum. Allzu groß ist ihre Angst vor Niederlagen.

Von Florian Gasser
21. Oktober 2018, 15:57 Uhr ZEIT Österreich Nr. 43/2018, 18. Oktober 2018 91 Kommentare


( Die meisten Volksbegehren enden wie die "Don't smoke"-Kampagne: auf dem Abstellgleis. © Alexej Schurkin für DIE ZEIT )

Mit Häme sollte die blaue Panik übertüncht werden. Es haben 881.569 Österreicher das Volksbegehren Don’t smoke unterschrieben. Doch seit Montag vergangener Woche betont die FPÖ unentwegt, dass es nun mal leider nicht 900.000 waren. So viele also, wie es ab dem Jahr 2022 braucht, damit eine verbindliche Volksabstimmung stattfinden muss. So steht es im Regierungsprogramm der schwarz-blauen Koalition.

Knapp daneben sei eben auch vorbei, lautet der Tenor. Der bemühte Sarkasmus hat einen Grund: Die FPÖ wurde mit ihren eigenen Waffen geschlagen.

Keine Partei verlangte, als sie in der Opposition war, derart lautstark nach mehr direkter Demokratie. Und jetzt? Jetzt müssen sich die Freiheitlichen winden und drehen, um aus dieser Nummer wieder herauszukommen. Das heißt: Erklären, warum direkte Demokratie zwar eine gute Sache sei, nur jetzt leider nicht zur Anwendung kommen könne. Dass das Rauchverbot in der Gastronomie nicht eingeführt wird, war nämlich eine unverhandelbare Bedingung der FPÖ in den Koalitionsgesprächen.

Doch das Problem der Blauen mit der direkten Demokratie reicht weit über ein Wahlversprechen hinaus. Die Partei hat die Idee, mehr Macht dem Volk zu übertragen, gehörig missverstanden.

Direkte Demokratie lässt sich nicht nebenbei einführen wie die Erhöhung der Maximalgeschwindigkeit auf der Autobahn. Oder anders: Wer behauptet, man könne dieses Instrument der demokratischen Mitbestimmung mir nichts dir nichts implementieren, der ist unehrlich. Wer verlangt, in Österreich eine direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild zu installieren, und nicht mehr anzubieten hat als Volksbegehren, die zu einer verpflichtenden Volksabstimmung führen, der greift zu kurz. Kurzum: Der möchte nichts anderes, als komplexe ProBleme zu banalen Ja/Nein-Lösungen reduzieren.

Und dies erst noch so, dass lediglich große Interessenverbände ihre Anliegen durchbringen könnten, Minderheiten hingegen kaum. Allzu hoch ist die Hürde von 900.000 Unterschriften in einem Land mit 8,8 Millionen Einwohnern.

Wer es ernst meint mit der direkten Demokratie, der muss erkennen, dass das Vorhaben kompliziert und spannend, aber ebenso aufreibend und nicht zuletzt riskant wäre: Mehr Mitsprache des Volkes würde die Republik radikal umpflügen.

Das musste auch die Schweiz erfahren, die hierzulande immerfort als Musterbeispiel für ein Land herhalten muss, in dem das Volk noch gehört wird und mitbestimmen kann. FPÖ-Politiker werden nicht müde, dieses Vorbild zu bemühen, wenn sie ihrem Wunsch nach mehr Mitbestimmung Nachdruck verleihen wollen.

Aber die direkte Demokratie wurde in der Schweiz nicht von heute auf morgen eingeführt. Sie ist ein Kind des 19. Jahrhunderts, dem ein erbitterter Streit vorausging. Jahrzehntelang debattierten Rechtsgelehrte und Politiker über den Ausbau der Volksrechte.

Im jungen Staat, die moderne Schweiz wurde erst 1848 gegründet, mussten sich Kantone mit Landsgemeinden, Bürgerversammlungen unter freiem Himmel, Kantone mit reinen Parlamentssystemen und solche mit ausgebauten Volksrechten zusammenraufen. Zunächst einigten sie sich auf ein repräsentatives System.

Erst nach zwei Jahrzehnten drehte der Wind, denn nun bekämpfte die neue demokratische Bewegung das liberale Establishment. Referenden und Initiativen galten fortan als eine "logische" und "natürliche" Folge, eine notwendige Korrektur der alten Macht, und sie wurden gleichzeitig zu einem Blockadeinstrument der Konservativen gegen die liberalen Freisinnigen. Von den Gegnern hieß es schon damals, nicht ganz zu Unrecht: Mit zu starken Volksrechten drohe "eine stete Durchkreuzung des Wirkens der Wissenden und Verstehenden durch die Nichtwissenden und Nichtverstehenden" und damit die "Hemmung allen Fortschrittes".

Und heute? Das Initiativrecht wird weidlich genutzt, die Eidgenossen wachsen mit direkter Demokratie auf, Abstimmungen und die dazugehörigen Diskussionen sind Alltag. Und zwar auf allen politischen Ebenen: in Gemeinden, Kantonen und Bund.

Der Preis dafür: In der Schweiz geht vieles langsam voran, im Guten wie im Schlechten. Bekanntestes Beispiel ist das Frauenwahlrecht. Es wurde erst in den 1970er-Jahren eingeführt; und die letzten Reste davon vor nicht einmal 30 Jahren. Eine Regierung wie die von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache, die jede Woche ein neues Projekt lanciert, sie wäre bei den Eidgenossen undenkbar. Das System wäre mit dem speed kills-Tempo überfordert.

Es geht um Demagogie
Was in Österreich ab dem Jahr 2022 vorgesehen ist, ist keine echte Bürgerbeteiligung. Es geht nicht darum, dass sich Interessengruppen, Parteien und Bürger auf Augenhöhe gegenübertreten, Argumente austauschen und gemeinsam eine Lösung erarbeiten. Es geht um Demagogie. Um die Frage: Wer macht am meisten Propagandalärm, wer mobilisiert am besten, wer findet die größte Resonanz in den Boulevardmedien, die mal in die eine, mal in die andere Richtung mobilisieren.

Es gibt Gründe, warum westliche Demokratien mit Instrumenten der direkten Demokratie zurückhaltend sind und die repräsentative Demokratie hochhalten – in Österreich war es vor allem die SPÖ, in ihrer Zeit als Regierungspartei, die sich stets dagegenstemmte.

Volksabstimmungen polarisieren, Stimmungen können einfach aufgepeitscht werden, sie bieten Politikern eine relativ einfache Möglichkeit, Verantwortung abzuwälzen. Dazu kommt die Angst vor wirkmächtigen Medien und vor finanzkräftigen Lobbygruppen.

Diese Sorgen kennt auch die Schweiz. Die Parteien haben die Volksinitiativen als Wahlkampfvehikel entdeckt, und immer wieder scheitern politische Großprojekte vor dem Volk. Es entscheidet dabei auch mal gegen die wirtschaftlichen Interessen des Landes oder nimmt ein Volksbegehren an, das gegen internationale Verträge verstößt. Erst kürzlich scheiterten notwendige Reformen des Pensions- und Steuersystems.

Der wirklich große Umbau für Österreich wäre aber die Abkehr vom bisherigen parlamentarischen System. Das "Vorbild Schweiz" lebt davon, dass es ein Land ohne klassische Opposition im Parlament ist. Alle größeren Parteien sind Teil der Regierung und zur Zusammenarbeit gezwungen.

Wer das Modell von Regierung und Opposition beibehält, aber gleichzeitig die direkte Demokratie ausbaut, der würde damit einen Dauerwahlkampf entfachen. Entweder lässt eine populistische Exekutive ständig über Ausländer, Religionen oder Pseudothemen wie Geschwindigkeitsbeschränkungen abstimmen, oder es würden andauernd Abstimmungen gegen die Regierung abgehalten. Das System wäre gelähmt.

Wie schwer man sich in Österreich mit direkter Demokratie schon auf lokaler Ebene tut, zeigt eine Studie des Austrian Institute of Technology aus dem vergangenen Jahr. Darin wurden mehrere lokale Befragungen über Windkraftwerke analysiert. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Möglichkeiten der Bürger, die Entscheidungen zu beeinflussen, wurden durch die reinen Ja/Nein-Befragungen oft geringer, es gab keinen Raum zur Mitgestaltung, sondern lediglich Informationsabende. Und die Befragungen dienten gemäß den Studienautoren "als Ausweg aus fehlgeschlagenen Beteiligungsprozessen". Die Gemeindepolitik wollte sich dem Risiko entziehen, unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

Trotzdem: Wer es mit der direkten Demokratie ernst meint, müsste auf kommunaler Ebene damit beginnen und verschiedene Partizipationsinstrumente einführen. Von Beteiligungsverfahren bis hin zu Bürgerversammlungen. Dazu bräuchte es einen Mentalitätswechsel bei den politischen Akteuren.

Direkte Demokratie, das bedeutet, stets das Risiko einzugehen, vor dem Volk zu verlieren, und den Preis solcher Niederlagen einzukalkulieren.

Von einer solchen neuen, flexiblen Denke ist die FPÖ allerdings weit entfernt. Selbst gegen eine simple Volksabstimmung wie jene zum Nichtraucherschutz sträubt sie sich. Aus gutem Grund. Das Anliegen mag in der gesamten Bevölkerung eine Mehrheit haben – unter FPÖ-Anhängern eher nicht. Also unter jenen Menschen, welche die Blauen meinen, wenn sie vom Volk sprechen.

Mitarbeit: Matthias Daum
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"Mitleid und Erbarmen hielten Bilbos Hand zurück. Viele, die leben, verdienen den Tod und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben, Frodo? Dann sei nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand. Selbst die ganz Weisen erkennen nicht alle Absichten. Mein Herz sagt mir, dass Gollum noch eine Rolle zu spielen hat, zum Guten oder zum Bösen, ehe das Ende kommt." (Gandalf zu Frodo)
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