Willkommen |
|
myGully |
|
Links |
|
Forum |
|
|
|
|
06.06.18, 12:20
|
#1
|
Legende
Registriert seit: Aug 2011
Ort: in der Wildnis
Beiträge: 15.633
Bedankt: 34.760
|
Sozialbetrug : So angelt sich ein Politiker Millionen
Zitat:
Der Abgeordnete Patrick Öztürk steht im Verdacht, gemeinsam mit seinem Vater einen millionenschweren Sozialleistungsbetrug in Bremerhaven organisiert zu haben. Inzwischen ist es schon mehr als zwei Jahre her, dass das Betrugssystem der beiden aufgeflogen ist. Doch passiert ist seither wenig: Vater Selim ist ein freier Mann, Sohn Patrick bezieht weiter reichlich Geld aus der Staatskasse, und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ziehen sich in die Länge.
Unterdessen nimmt Patrick Öztürk weiter an den Sitzungen der Bremer Bürgerschaft teil, berichten andere Abgeordnete. Der frühere SPD-Abgeordnete, mittlerweile fraktionslos, sitze ganz hinten im Parlament und schweige. Öztürk bezieht weiterhin seine Diät.
Dabei ist es nicht bloß ein vager Verdacht, der gegen die Öztürks im Raum steht. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Bremer Bürgerschaft kam zu dem Ergebnis, dass Vater und Sohn Öztürk ein „mit hoher krimineller Energie betriebenes System“ organisiert haben und „in einem erheblichen Umfang finanzielle Vorteile aus ihm bezogen haben“. Die Summe des Schadens beziffert der Ausschuss auf etwa sieben Millionen Euro.
Mit zwei Vereinsgründungen zum Millionenbetrug
Das Vorgehen von Patrick und Selim Öztürk sei „ausgeklügelt“ gewesen, heißt es im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses. Die beiden scheinen sehr früh geahnt zu haben, dass sich aus dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens vor elf Jahren Einnahmequellen ergeben könnten.
Um diese für sich erschließen zu können, schufen die beiden schon damals die nötige Infrastruktur. 2007 wurde ein Verein mit dem schönen Namen „Agentur für Beschäftigung und Integration“ gegründet. 2008 folgte ein zweiter Verein mit dem nicht minder staatstragenden Namen „Gesellschaft für Familie und Gender Mainstreaming“. Der Untersuchungsausschuss kommt zu dem Schluss, dass schon bei der Gründung der beiden Vereine, die de facto von den Öztürks kontrolliert wurden, getrickst wurde und die Protokolle von damals falsch sind.
Beide Vereine verwendeten auch rechtswidrig die Logos der Stadt Bremerhaven, der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, so dass manche der „Kunden“ den Eindruck hatten, sie hätten es mit einer Behörde zu tun.
Unter dem Deckmantel der Integration
Um die Staatskasse möglichst gewinnbringend anzuzapfen, sollen Selim und Patrick Öztürk dann zwei Methoden entwickelt haben. Die eine bestand darin, bulgarische Armutsmigranten massenhaft mit fingierten Arbeitsverträgen oder als Scheinselbständige mit erfundenen Rechnungen auszustatten, um damit Aufstockerleistungen beim Sozialamt zu beantragen.
Ein Teil dieser Zahlungen soll dann in bar von den Empfängern an die Öztürks gegangen sein. Ziemlich lukrativ war diese Masche, weil immer mehr Bulgaren in die Armutshochburg Bremerhaven zogen. Lebten dort im Jahr 2010 nur 174 Bulgaren, hatte sich deren Zahl 2012 bereits mehr als verdreifacht und stieg dann bis 2015 um den Faktor fünfzehn auf 2779. Rund tausend von ihnen sollen in das Öztürk-System verwickelt gewesen sein. Die große Mehrzahl gehörte der türkischen Minderheit in Bulgarien an.
Die zweite Masche der Öztürks bestand, wie der Untersuchungsausschuss darlegt, darin, das „Bildungs- und Teilhabepaket“ des Sozialstaats anzuzapfen. Um an das Geld zu kommen, wurde Nachhilfeunterricht für die Kinder von Armutsmigranten abgerechnet, der tatsächlich gar nicht stattgefunden hatte.
Um dieses Geschäft zum Laufen zu bringen, soll Patrick Öztürk die örtlichen Schulen besucht und sich dort als SPD-Bürgerschaftsabgeordneter vorgestellt haben; anschließend habe er aufdringlich das Nachhilfekonzept beschrieben. Öztürk schrieb als Abgeordneter der SPD, gegen deren Willen in Bremerhaven gar nichts geschieht, auch an die Leiterin des Sozialamts; diese solle die Mittel für den Nachhilfeunterricht länger und schneller fließen lassen.
Auch stellte er Anfragen an das Parlament, um an Informationen zu gelangen, die für das Betrugssystem nützlich waren. Öztürk nutzte die Vereine aber auch umgekehrt für seine Politik. In Wahlkampfzeiten wurde in der Vereinszentrale das Werbematerial gedruckt, das dann von Bulgaren im Wahlkreis verteilt wurde. Über die Vereine rechnete Öztürk sogar Strafzettel und Tankrechnungen ab.
Zwischen dem Skandal in Bremerhaven und den Manipulationen in der Bremer Bamf-Außenstelle gibt es einige Parallelen. In beiden Fällen geht es um massenhaften Rechtsbruch im Bereich Politik, der auch dadurch ermöglicht wurde, dass die Verantwortlichen ihre Machenschaften mit einer Aura der Menschenfreundlichkeit versahen.
Bamf soll mehrere Hinweise gehabt haben
Noch schwerer wiegt, dass den Verantwortlichen in den Behörden sowohl beim Bamf wie auch in Bremerhaven über Jahre zahlreiche Hinweise vorlagen, dass etwas mächtig schief läuft. Im Fall der Öztürks gaben Sozialarbeiter der „Humanitären Sprechstunde“ schon relativ früh präzise Hinweise auf deren Betrugsmasche. Sie stießen damit jedoch beim zuständigen Sozialdezernenten Klaus Rosche auf taube Ohren.
Rosche bagatellisierte das Geschehen, sprach von bloßen Gerüchten und bat die Hinweisgeber mehrfach, Stillschweigen über die Angelegenheit zu bewahren. „Es ist so, als ob man etwas in einen Brunnenschacht ruft, und es passiert nichts, als ob es nie da gewesen ist“, berichtete die Leiterin der „Humanitären Sprechstunde“ im Untersuchungsausschuss; sie hat wegen der Untätigkeit der Behörden damals sogar ihren Job gekündigt.
Niemand tat etwas, obwohl viele von den Betrügereien mit Armutsmigranten wussten. „Für mich ist es unvorstellbar gewesen, dass das nicht bekannt ist, weil es ja auch alle anderen Institutionen wussten, die Klienten wussten, ich weiß gar nicht, wer es nicht wusste“, berichtete eine Zeugin. Der Untersuchungsausschuss wirft insbesondere dem mittlerweile in den Ruhestand getretenen Sozialdezernenten Rosche vor, trotz etlicher Hinweise „vollständig untätig geblieben“ zu sein. Auch die bis heute amtierende Sozialamtsleiterin Astrid Henriksen sei ihrer „Verantwortung in keiner Weise gerecht geworden“.
Anklage möglicherweise erst irgendwann „im Sommer“
Konsequenzen wird all das aber weder für Rosche noch für Henriksen haben. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Stadt Bremerhaven gegen die beiden Beamten, die beide der SPD angehören, nicht einmal ein Disziplinarverfahren einleiten wird. Auch dies ist das Ergebnis eines etwas fragwürdigen Vorgangs: Der Magistrat der Stadt, in dem neben vielen SPD-Politikern die alten Dezernentenkollegen Rosches sitzen, ließ nämlich zunächst ein Gutachten erstellen – und zwar von einem Mann, der bis vor kurzem Staatsrat in Bremen war und ebenfalls SPD-Mitglied ist.
Er kam zu dem Ergebnis, dass Rosche und Henriksen keine „bewussten Fehlentscheidungen“ nachzuweisen seien und ein Disziplinarverfahren „aller Voraussicht nach“ zu keinem Ergebnis führen werde. Zweifel an der Entscheidung, ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl in Bremerhaven einen altgedienten SPD-Mann mit einem Gutachten zu befassen, hat man in Bremerhaven nicht. Der Gutachter sei „sehr neutral“ und könne „durchaus trennen“ zwischen der rechtlichen Bewertung und möglichen politischen Interessen, sagt die neue Sozialdezernentin Claudia Schilling von der SPD.
Die Entscheidung, ob es zu einer Anklage gegen den Abgeordneten Öztürk und seinen Vater kommt, könnte nach Auskunft der Staatsanwaltschaft irgendwann „im Sommer“ fallen. Bis zu einer Gerichtsverhandlung oder gar zu einem Urteil würden dann aber noch mal etliche Monate vergehen. So gut wie ausgeschlossen ist, dass Öztürk vor der Bürgerschaftswahl 2019 mit irgendwelchen Konsequenzen rechnen muss.
|
Quelle: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
Warum fällt mir dazu spontan "Die Farm der Tiere" und das Schwein Napoleon ein?
|
|
|
06.06.18, 12:50
|
#2
|
Trialhacker
Registriert seit: Feb 2010
Beiträge: 648
Bedankt: 4.757
|
Zitat:
Der frühere SPD-Abgeordnete, mittlerweile fraktionslos, sitze ganz hinten im Parlament und schweige. Öztürk bezieht weiterhin seine Diät.
|
So soll es sein! Wahrscheinlich bis in das hohe Alter hinein. Bananenrepublik Deutschland lässt grüßen!!
__________________
Ich schaue nicht nach Rechts. Ich schaue nicht nach Links. Ich schaue nach der Realität.
|
|
|
06.06.18, 19:19
|
#3
|
Echter Freak
Registriert seit: Jun 2010
Beiträge: 2.245
Bedankt: 3.933
|
Ein Hartzer wird bei wesentlich kleineren 'Verfehlungen' wesentlich schneller bestraft.
__________________
"Wir müssen friedenstüchtig werden"
(Boris Pistolius, dt. Philosoph)
|
|
|
Die folgenden 2 Mitglieder haben sich bei nolte bedankt:
|
|
06.06.18, 20:05
|
#4
|
Chuck Norris
Registriert seit: Apr 2009
Beiträge: 4.738
Bedankt: 11.451
|
Moin,
Bremen. Eine Hochburg der Sozialdemokratie. Und, wie es aussieht, eine Hochburg von Filz, Vetternwirtschaft und Schlamperei. Ob das beides im Zusammenhang steht mag sich jeder für sich selbst entscheiden. Ich sage: Ja, den Zusammenhang gibt es.
Wenn eine Gruppierung zu lange an der Macht ist verfilzt die ganze Sache. Irgendwann hält man seine Position für gottgewollt und benimmt sich wie ein König dem das Land gehört. Die Brut gehört davongejagt!
__________________
Wenn Kik den Preis pro Shirt um einen Euro erhöht um seinen Mitarbeitern ein besseres Gehalt zu zahlen, dann finden wir das alle gut.
Und dann gehen wir zu Takko einkaufen ...
|
|
|
07.06.18, 11:41
|
#5
|
Cyriak
Registriert seit: Jan 2018
Beiträge: 88
Bedankt: 170
|
hm... komplett enteignen und ab zum jobcenter auf h4 mit dem ganzen verein... ach ja, sowas ist ja aus der mode gekommen. warum eigentlich?
__________________
Falls was ist: erst PN, dann öffentlich meckern ^^
Ansonsten: Leben und leben lassen.
.oOPeaceOo.
|
|
|
Folgendes Mitglied bedankte sich bei Genosse Kim:
|
|
08.06.18, 09:19
|
#6
|
Newbie
Registriert seit: Jan 2012
Beiträge: 99
Bedankt: 1.796
|
Ich glaube es war der BKA-Chef, der kürzlich sagte "Ein System, was leicht missbraucht werden kann, wird auch leicht missbraucht"...und da ist es wohl auch egal, ob Politiker oder "der kleine Mann von nebenan".
|
|
|
08.06.18, 10:53
|
#7
|
Legende
Registriert seit: Aug 2011
Ort: in der Wildnis
Beiträge: 15.633
Bedankt: 34.760
|
Zitat:
Zitat von tanjian
...und da ist es wohl auch egal, ob Politiker oder "der kleine Mann von nebenan".
|
Nur das der kleine Mann von nebenan nicht so großen Schaden anrichten kann.
|
|
|
08.06.18, 18:14
|
#8
|
Newbie
Registriert seit: Jan 2012
Beiträge: 99
Bedankt: 1.796
|
Zitat:
Zitat von TinyTimm
Nur das der kleine Mann von nebenan nicht so großen Schaden anrichten kann.
|
Quantitativ mag das stimmen, für das Vertrauen in unser Sozialsystem ist es (zumindest für mich) allerdings unerheblich. Geringere Summen machen den Mißbrauch keinesfalls "besser" oder "richtiger".
Ob jemand durch seine Position in der Lage ist, sich ganz alleine um ein paar Millionen zu bereichern, oder ob es "nur" mein Nachbar ist, der unrechtmäßig Soialleistungen abzockt, oder eine Gruppe sich durch Tricks am Kindergeld bereichert ist mir ehrlich gesagt egal. Das ist wie mit Steuerbetrug. Dadurch, dass es ja die großen Fische auch machen, fühlt man sich vollkommen im Recht, wenn man jedes Jahr wieder an allen Ecken und Enden rumtrickst.
|
|
|
08.06.18, 18:56
|
#9
|
Legende
Registriert seit: Aug 2011
Ort: in der Wildnis
Beiträge: 15.633
Bedankt: 34.760
|
Zitat:
Zitat von tanjian
Geringere Summen machen den Mißbrauch keinesfalls "besser" oder "richtiger".
|
Das war von mir kein Plädoyer für Betrug. Ich meine die Verhältnismässigkeit, die leider oft im Strafrahmen auffällt.
|
|
|
Forumregeln
|
Du kannst keine neue Themen eröffnen
Du kannst keine Antworten verfassen
Du kannst keine Anhänge posten
Du kannst nicht deine Beiträge editieren
HTML-Code ist Aus.
|
|
|
Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 21:03 Uhr.
().
|