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TinyTimm
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Standard Merkel und Löw. Sie eint mehr als die Frisur

Zitat:
In der steifen Oberlippe liegt die Kraft

Je länger die beiden im Amt sind, desto ähnlicher werden sie einander - nicht nur in der Haartracht. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und der deutsche Fußballtrainer Joachim Löw sind beinahe Zwillinge einer neuen deutschen Führungskultur. Öffentliche Aufregung prallt an ihnen ab, ihren Weg gehen sie in stiller Unaufgeregtheit - und auf überschießende Emotionen reagieren sie mit steifer Oberlippe. Jetzt, zur WM in Russland, steht das Führungsverhalten der beiden erneut im Mittelpunkt. Beide haben Stress - die eine mit dem bayrischen „Partner“, der andere mit der inneren Spannkraft seiner Truppe.

Unbeirrbar im Alleingang

Wenige Tage vor der WM haben es beide nicht leicht gehabt. Der eine musste nach einer Niederlage gegen Österreich und einem mageren Sieg gegen Saudi-Arabien nach Russland aufbrechen, sie wiederum hat Horst Seehofer - und dann auch noch ihren Lieblingspartner Sebastian Kurz zu Gast. Angela Merkel und Joachim Löw wirken dieser Tage wie eine Schicksalsgemeinschaft. Und als solche eint sie mehrerlei: die unbewegte Oberlippe - und die demonstrativ unaufgeregte Unbeirrbarkeit, den eigenen Weg zu gehen. Solange Frau und Mann Erfolg haben.

Als beide ihre Ämter antraten, galten sie wohl nicht als Dauerführungskräfte, die sie heute in ihrem jeweiligen Fach geworden sind: die eine deutsche Kanzlerin in ihrer vierten Legislaturperiode, der andere beinahe ebenso lange deutscher Bundestrainer (beinahe zwölf Jahre), mittlerweile auch amtierender Weltmeister und trotzdem der Meister der stillen, ruhigen Gesten.


Gern gesehener Gast bei den Kickern: Merkel heuer im Südtiroler Trainingslager des deutschen Teams

Löw und Merkel eint sehr viel: Ihre Art zu führen, vor allem aber, die Form der Führung mit einer Art teflongekleideter Außendarstellung zu kombinieren macht Merkel und Löw zu einem nun beinahe konstanten Team einer anderen deutschen Kultur. Hier die Ostdeutsche, die einst Helmut Kohls „Mädchen“ genannt wurde, da der ruhige Taktikfuchs, der in der Zeit der Zusammenarbeit mit Jürgen Klinsmann die Guru-Attitüde immer dem anderen überließ. Auch im Umgang mit den Medien wirken sie wie „two of a kind“. Schelten und Kritik lassen sie an ihrem Revers abrinnen - und wenn sie kommentieren, dann mit einer gehörigen Zeitverzögerung. Und einer immer vor sich hergetragenen demonstrativen Unaufgeregtheit.

„Au’ sehr schön“

Dass zwei, die einander im medialen Rampenlicht derart ähneln, sich durchaus gerne im gemeinsamen Kontakt selbst bespiegeln, ist kein Geheimnis. Merkel gilt nicht nur als gern gesehener Gast bei den Spielern des deutschen Nationalteams. Löw wird nahezu emotional, wenn er von den Besuchen der Kanzlerin berichtet, etwa jüngst im Trainingslager in Süddtirol. „Dass sie da war, war au’ sehr schön“, so Löw in seinem nie gefilterten Badensisch über die Stimmungslage im deutschen Team.


Merkel und die Herrenriege des DFB: Oliver Bierhoff (2. v. l. neben Tormanntrainer Andi Köpke) hat eine ähnliche Rolle bei Löw wie Steffen Seibert bei Merkel

Wozu auch die große Emotion, wenn sich mit der ohnedies nur boulevardeske Schlagzeilen füllen lassen? Im Moment spielt Löw mit einem Team in Russland, dem, wie es aus engeren Kreisen laut „Süddeutscher Zeitung“ heißt, die innere Spannkraft fehle. Nach außen gibt sich Löw unaufgeregt. Schaut man auf die Union, bietet sich im Asylstreit ein ähnliches Bild. In der Auseinandersetzung mit CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer setzt Merkel auf die Emotionsbremse - und erneut auf den Alleingang.

Herstellung von Geschlossenheit

Auch wenn die eigene Fraktion, wie „Die Welt“ am Freitag mutmaßte, inhaltlich in der Mehrheit hinter Seehofer stehe, so sammelt Merkel ihre Seite zumindest nach außen hin relativ geschlossen hinter sich. Abweichler bestraft Merkel, solange sie die Fäden in der Hand hat, mit einer nachhaltigen Gnadenlosigkeit. Ebenso innerparteiliche Konkurrenz: Die Liste jener Männer, die an Merkel gescheitert sind, ist über die Jahre sehr lang geworden. Und die Namen Roland Koch und Christian Wulff sind dabei die Spitze des Eisbergs.

Wer bei Löw mitspielen will, der verhält sich besser auch loyal - also nicht extravertiert oder erzählfreudig im Kontakt mit Medien. Lange, weit über den Karrierezenit, hat Löw immer wieder an seinem Führungsstil festgehalten. Man denke nur an Miroslav Klose - und für die Gegenwart an Mario Gomez, den man wahrscheinlich nicht als Stürmer auf dem Höhepunkt bezeichnen würde.

Dress for success


Formale und immer wiederkehrend erkennbare Kleidung zeichnet auch den optischen Stil von Merkel und Löw aus, bei dem das Modell der Sachlichkeit im Vordergrund steht. Löw liebte in der Vergangenheit den klaren Schnitt. Eine Zeit lang stand er am liebsten in klassischen Pullis eines damaligen Teamausstatters an der Linie. Mittlerweile sind Löws Markenzeichen: Halskette, schwarzes T-Shirt, Anzughose, klassische oder sportliche dunkle Schuhe.

Merkel wiederum verbindet die Frage von optischer Erscheinung mit formalen Kriterien, wie die Machtanalytikerin Christine Bauer-Jelinek im Vorjahr in ORF.at im Rahmen des Formats „Ballhausplatz 2“ analysierte. „Von Angela Merkel weiß man, dass sie sich eine Inszenierung hat machen lassen, man weiß auch, wer die Designerin war. Und diese Uniform trägt sie konsequent seit Jahren oder Jahrzehnten“, so Bauer-Jelinek: „Das vermittelt Kontinuität und Sicherheit.“


Jeden Tag ein anderer Blazer: Merkels Erscheinung als exakt inszenierte Uniform

Seibert, Bierhoff und Teflon


Für Merkel und Löw gilt das Prinzip des inneren Kreises - die engsten Vertrauten der beiden Führungsfiguren meiden das Rampenlicht. Für die Außenkommunikation hat man markante „Anker“, hier den frühen ZDF-Anchor Steffen Seibert, da den in den Medien beliebten Oliver Bierhoff. Sie übernehmen als Kommunikatoren den Aufbau jener Teflonschicht, die Merkel und Löw beim konzentrierten Regieren und Agieren brauchen. Und sie bauen damit auch entscheidend mit an der „Mystique“ des Alleingangs. Denn auch wenn sich die Medien oft genug an Merkels und Löws Politik abarbeiten: Berechenbar sind die beiden nach außen nicht. Beide können einstecken und mit Aufregung über ihre Person und Arbeit leben. Das Handeln möchten sie jedenfalls nicht vom medialen Buzz diktieren lassen.

Freilich ist auch diese Form der Führung mit einer entscheidenden Frage verbunden - der des Erfolgs. Ohne Titel würde sich Löw im Moment deutlich schwerer tun - und bei Merkel ist es wohl die Mischung aus vierter Kanzlerschaft und der Rolle als Führungsperson auf europäischer Bühne, bevor Emmanuel Macron diese betreten hat. Innerparteilich hat Merkel die Konkurrenz bisher in Schach gehalten. Wie lange ihr das gelingen wird, ist ungewisser als im Fall von Löw.
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