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Junge Menschen: Wir sind Helden

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Ungelesen 30.12.18, 19:36   #1
Wornat1959
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Standard Junge Menschen: Wir sind Helden

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Junge Menschen
Wir sind Helden



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3. Dezember 2018, 8:46 Uhr Editiert am 30. Dezember 2018, 17:45 Uhr DIE ZEIT Nr. 50/2018, 3. Dezember 2018 24 Kommentare

Acht junge Menschen, die sich in diesem Jahr mit den Umständen nicht abgefunden haben


Der Demonstrant

Emil Rustige ruft zum Protest gegen Handy-Eltern auf

Erwachsene sorgen sich über den Smartphone-Konsum ihrer Kinder. Und sind selbst schlechte Vorbilder, findet Emil Rustige. Deshalb organisierte der Siebenjährige eine Demonstration. Das Ziel: Eltern sollen sich mehr um ihre Kinder kümmern – und weniger um ihre Handys.


Emil Rustige © Roman Pawlowski für DIE ZEIT

Als alle Erwachsenen in der U-Bahn nur noch auf ihre Smartphones starrten, wurde mir klar: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]

Ich bin sieben Jahre alt. Was eine Demonstration ist, weiß ich. Meine Eltern haben mich Ende Mai zum "Lauf gegen Rechts" an der Alster mitgenommen. Da habe ich gelernt, dass jeder was gegen Dinge tun kann, die ihn stören. In meinem Fall, dass meine Eltern ständig von ihrem Handy abgelenkt werden. Einmal in der Küche wollte ich, dass meine Mutter mir ein Butterbrot schmiert, aber sie hatte schon wieder das Smartphone in der Hand. Da reichte es mir. Wieso kann man das Klingeln nicht einfach mal ignorieren? Ich war mir sicher, dass es anderen Kindern auch so geht.

Deswegen habe ich meinen Eltern erzählt, dass ich eine Demonstration dagegen starten möchte. Sie haben mir überraschenderweise sofort zugestimmt, obwohl sich die Demonstration ja gegen ihr Verhalten richtet. Aber sie sagten, sie würden das Thema wichtig finden. Deswegen haben sie mir geholfen, die Aktion bei der Polizei anzumelden. Am Ende waren 70 Kinder mit ihren Eltern da. Sie haben Schilder in die Luft gehalten, auf denen stand "Flugmodus an! Jetzt sind wir dran!" oder "Wir sind laut, weil ihr immer aufs Handy schaut". Ich saß auf den Schultern von meinem Vater und habe eine Rede gehalten. Mit einem Megafon in der Hand. Ich war sehr nervös und habe gesagt, wieso wir hier demonstrieren. Dann habe ich noch die Route erklärt. Als ich fertig war, haben die Menschen gejubelt und sind losmarschiert. Das hat sich gut angefühlt.

Ein paar Tage später meldeten sich plötzlich ganz viele Journalisten, sogar aus Ländern wie Portugal, Bulgarien oder Großbritannien. Alle wollten mit mir sprechen. Das kam für meine Eltern überraschend. Für mich nicht. Das Thema ist schließlich wichtig. Sonst hätte ich diese Demonstration ja nicht geplant. Viele glauben, dass ich selbst ganz viel auf das Smartphone schauen würde, wenn ich eins hätte. Das stimmt aber nicht. Ich will gerade gar keines, selbst wenn manche Kinder, die ich kenne, schon eines haben. Ich finde, dass ich noch zu klein bin. Mir ist es wichtiger, dass die Menschen was zusammen machen. Meine Eltern schalten seit der Demonstration ihre Handys häufiger stumm, wenn wir spielen oder essen.

Für mich hat sich die Demo gelohnt. Vielleicht starte ich mal wieder eine. Wenn mich was anderes stört. Oder wenn Erwachsene in zwei Jahren immer noch lieber mit ihrem Handy spielen als mit ihren Kindern.
Aufgezeichnet von Nadia Riaz


Die Erklärerin

Mai Thi Nguyen-Kim macht Wissenschaft populär

Plötzlich war da diese junge Chemikerin mit Doktortitel und Humor. Hunderttausendfach wurden die YouTube-Videos angeschaut, die Mai Thi Nguyen-Kim drehte. Ihre "maiLab"-Videos zeigen, wie Wissenschaft in Zeiten schamloser Lügen begeistern kann. Die 31-Jährige moderiert nun im WDR die Wissenschaftssendung "Quarks".

Angeblich ist ja die Wahrheit im Niedergang. Ich erlebe eher das Gegenteil. Unsere Gesellschaft ist faktenbesessen. Kaum verstricke ich mich in eine Diskussion, heißt es: Wo ist deine Quelle? Kann ich diese Fakten liefern, verschwindet auch das Misstrauen gegenüber der Wissenschaft, von dem so viel die Rede ist.

Vor ein paar Jahren saß ich noch als Doktorandin im Labor und habe begonnen, Wissenschaftsfilme für YouTube zu produzieren. Kurze, lustige Videos. Ich dachte: Warum sieht man Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eigentlich immer nur vor Bücherregalen? Was sind das für Menschen? Haben die auch Hobbys? Oder gar Freunde? Ich wollte der Wissenschaft ein menschlicheres Gesicht geben.

Ich habe schnell gemerkt, dass in den sozialen Medien viel mehr geht als nur Lifestyle. Nämlich auch Chemie, Physik, richtig harte Forschung. Ständig wird beklagt, dass es in den Naturwissenschaften nicht genügend Frauen gibt, sich Mädchen für solche Themen nicht interessieren. Auch das stimmt nicht: Die Hälfte meiner 13- bis 17-jährigen Zuschauer ist weiblich. Mein YouTube-Kanal maiLab hat inzwischen 190.000 Abonnenten. Für die bin ich eine Art Influencerin der Wissenschaft. Meine Bühne wurde dieses Jahr immer größer. Plötzlich sollte ich im Fernsehen auftreten, ein Verlag wollte ein Buch, ich habe Preise bekommen.

Es gibt eine Sehnsucht nach Menschen, die gut vermitteln können. Davon profitiere ich. Dass die Bundesbildungsministerin jetzt offiziell die Wissenschaftskommunikation fördern will, ist sinnvoll. Aber es ärgert mich, wenn sie so tut, als könnte das jeder. Als müsste man nur mal eben seine Arbeit erklären. Komplexe Grundlagenforschung in einen gut verständlichen Text oder ein fünfminütiges Video zu verwandeln, kostet Zeit und Kopfzerbrechen – man muss wissen, wohin man den Scheinwerfer richtet und wann man ihn wieder ausschaltet.

Am besten erreicht man Menschen über Emotionen oder Humor, doch die muss man in der Wissenschaft erst mal finden. Man muss sich fragen: Was begeistert mich an meiner Arbeit? Was frustriert mich? Wenn ich das vermitteln kann, hilft das bei den harten Fakten. Man braucht auch Mut, denn akademische Institutionen sind sehr konservativ und behäbig, als junge YouTuberin fällt man da sofort auf.

Mich reißt der Medienrummel ganz schön mit. Ich versuche trotzdem, den Kontakt zu halten mit denen, die forschen. Das ist die Welt, aus der ich komme und die ich meinem Publikum nahebringen will: damit es sieht, dass man der Wissenschaft vertrauen kann.
Aufgezeichnet von Anna-Lena Scholz


"Das ist ein Kampf für das ganze Leben"

Die Ballerina

Ein Tumor lähmte Sophie Hauenherm. Sie tanzt trotzdem weiter

Im letzten Jahr an einer renommierten Tanzhochschule zwingt eine Krankheit Sophie Hauenherm, 19, in den Rollstuhl. Ob sie je wieder laufen kann, ist ungewiss. Dennoch macht sie ihre Prüfung.


Sophie Hauenherm © Monika Skolimowska/dpa

Nach meinem Abschlusstanz hat jeder geheult. Die Prüfer, die Mitschüler, alle. Ich habe bei ihnen was ausgelöst. Das ist Tanz für mich. Ausdruck. Du hast etwas zu sagen und zeigst es in Bewegungen. Ich habe gesagt: Schaut mich an, mir wurde gesagt, dass ich nie wieder laufen kann. Nun bin ich Tänzerin. Zwar anders, als ich dachte, zwar im Rollstuhl – aber ich tanze. Sogar meine Abschlussprüfung schaffe ich.

Viele Zuschauer waren trotzdem traurig, weil sie wussten, wie es vorher war. Bis zum vergangenen Dezember, als ich unbändige Rückenschmerzen bekam. Schmerzen wie noch nie. Und ich habe als Tänzerin eine hohe Schmerzgrenze. Auch an jenem Abend stand ich auf der Bühne, nahm vorher nur drei Ibuprofen 800. Erst nachdem die Schmerzen immer *******r wurden, ging ich ins Krankenhaus. Die Ärzte hielten mich für ein jammerndes Mädchen. Trotzdem haben sie mich dabehalten.

Mitten in der Nacht wachte ich dann auf – und meine Beine waren gelähmt. Beim MRT wurde ein Abszess an der Wirbelsäule entdeckt. Die Ärzte operierten sofort. Aber zu spät. Meine Nerven waren abgequetscht. Hätten sie einen Tag früher was getan, es wäre nichts passiert. Nun konnte ich nicht mehr laufen. Noch schlimmer aber war der Gedanke, nie mehr zu tanzen. So schlimm, dass ich alle Tanzfotos versteckte. Ich bin auch allen Tänzern auf Instagram und Facebook entfolgt.

Seit ich vier bin, tanze ich. Mit zwölf Jahren ging ich ins Internat der Palucca Hochschule für Tanz in Dresden. Und dann, ein halbes Jahr vor dem Abschluss, dieser Abszess. Anfangs habe ich jeden Tag im Krankenhaus geweint. Bis meine beste Freundin kam und sagte: "So, wir machen ein Tanzvideo!" Erst mal habe ich sie nur angestarrt. Aber sie hat einfach ihr Handy aufgestellt, sich neben mich gesetzt, und dann haben wir getanzt. Mit dem Oberkörper. Da war mir klar: Tanzen wird meine Leidenschaft bleiben. Jede Woche habe ich zwei bis drei Videos gemacht und daraus das Stück für meine Bachelorprüfung erstellt. Ich habe da alles verarbeitet, was ich in fünf Monaten Krankenhaus erlebt habe.

Heute habe ich dieselbe Kraft wie zuvor und sogar ein erstes Engagement. Bei der Produktion Perfekt unperfekt. Das ist es auch, was ich jedem mitgeben will: Arbeite mit dem, was du hast, und lass dich nicht kaputtmachen von dem, was dir fehlt.
Aufgezeichnet von Rudi Nowotny


Die Feministin

Aljona Popowa will, dass Gewalt gegen russische Frauen ein Ende hat

Schätzungen zufolge werden jedes Jahr mehr als 10.000 Russinnen von ihrem Partner getötet. Die Aktivistin und Feministin Aljona Popowa, 35, kämpft gegen häusliche Gewalt und sexuelle Belästigung in Russland – zusammen mit Anwältinnen und ein paar Politikerinnen.


Aljona Popowa © Sebastian Bolesch

Täglich werde ich beschimpft: Man solle mir das Maul stopfen, ich bräuchte einen Kerl, wir seien vom Westen gekauft – je aktiver wir werden, desto mehr Hass bekommen wir ab. Aber ganz ehrlich: Die Drohungen sind mir vollkommen egal. Ich lasse mich nicht vom Weg abbringen, auch wenn wir in diesem Jahr nicht so weit gekommen sind, wie ich gehofft habe.

Wir kämpfen für ein Gesetz gegen häusliche Gewalt, das in Russland dringend fehlt. Ich bin im Parlament von Abgeordnetem zu Abgeordnetem gelaufen, um sie davon zu überzeugen, aber es hat nicht geklappt. Egal, wir machen weiter. Unser Entwurf, an dem ich mitgeschrieben habe, will nicht nur Gewalt in Familien bekämpfen, sondern vorbeugen. Wir wollen, dass dieses Gesetz wirklich etwas bewirkt. Unsere größte Sorge ist, dass die Abgeordneten den Gesetzestext in den Lesungen verstümmeln, dass zum Beispiel die Passage über das Kontaktverbot für die Täter plötzlich verschwindet und sich nichts an der Situation der Opfer ändert. Denn es muss sich dringend etwas ändern.

Bis vor Kurzem konnten wir damit argumentieren, dass Russland das einzige Land in der Region ist, das kein solches Gesetz hat. Sogar im benachbarten Belarus gibt es längst Kontaktverbote für Täter, ein Gesetz gegen häusliche Gewalt wird vorbereitet.

Aber dann erklärte der belarussische Präsident, der Kampf gegen Gewalt sei eine Einmischung der westlichen Welt – in Belarus lebe man weiterhin nach den slawischen Traditionen. Ein guter Gürtel sei für manches Kind sinnvoll – er habe selbst seinen ältesten Sohn geschlagen, bei den jüngeren sei es dann nicht mehr nötig gewesen. Solche Worte machen mich einfach nur ratlos.

Was in den Familien geschieht, stößt hierzulande meist auf Gleichgültigkeit. Immerhin hat der Fall von drei Moskauer Schwestern, die ihren 57-jährigen Vater umgebracht haben, die Gesellschaft aufgerüttelt. Er hatte sie laut ihren Aussagen über Jahre geprügelt, weggesperrt, missbraucht und umzubringen gedroht. Diese Mädchen waren komplett auf sich allein gestellt. De facto brachten sie ihren Vater um, weil sie weder Schutz noch Hilfe bekamen. Die Öffentlichkeit war geschockt. Jetzt hoffen wir, dass wir im nächsten Jahr endlich unser Gesetz durchkriegen.

Schwieriger ist es, gegen sexuelle Belästigung vorzugehen. Prominentestes Beispiel ist der Abgeordnete Leonid Slutzki, den drei Journalistinnen der sexuellen Belästigung beschuldigten. Eine konnte sogar eine Tonaufnahme des Vorfalls vorweisen. Aber die Ethik-Kommission im Parlament konnte keinen Verstoß feststellen. Einige Abgeordnete fanden, dass die Journalistinnen selbst schuld seien. Slutzki und seine Unterstützer haben es geschafft, die Vorwürfe zu einer antirussischen Verschwörung zu machen: Der tapfere Abgeordnete hat Russland vor #MeToo und einem Krieg gegen die russischen Männer und gegen traditionelle Werte bewahrt!

Offenbar herrscht ein ideologischer Kampf um Gleichberechtigung. Wir dürfen ihn nicht verlieren, weil die Folgen schrecklich wären. Selbst manche Frauen sind in diesem Punkt gegen uns. Männer, finden sie, dürfen nun mal alles, und wer belästigt wird, ist selbst schuld. Das ist kein Kampf für ein Jahr, das ist einer für das ganze Leben.
Aufgezeichnet von Alice Bota


"Ich hätte nicht gedacht, dass das solche Wellen schlägt"

Der Überflieger

Backtosch Mustafa wird vom Schulversager zum Elite-Studenten

Wenn über Migration diskutiert wird, geht es selten darum, wie sie eine Gesellschaft bereichert. Etwa durch Menschen wie Backtosch Mustafa. Seine Eltern flüchteten Anfang der Neunzigerjahre aus Afghanistan. Heute schreibt er mit nur 21 Jahren seine Doktorarbeit an der US-Elite-Uni Harvard.


Backtosch Mustafa © privat

Der afghanische Bürgerkrieg vertrieb meine Eltern aus ihrer Heimat. In Afghanistan war meine Mutter Anwältin, mein Vater arbeitete als Trainer der Fußballnationalmannschaft. In Deutschland standen sie vor dem Nichts. Heute verdient meine Mutter ihr Brot mit verschiedenen Jobs, mein Vater ist Taxifahrer.

1997 wurde ich in Hamburg geboren. In der Schule hatte ich viele Schwierigkeiten. Meine Mitschüler hatten Vorurteile wegen meiner Herkunft, von den meisten Lehrern bekam ich keine Unterstützung. Meine Leistungen wurden so schlecht, dass ich in der achten Klasse fast vom Gymnasium geflogen wäre. Die Lehrer rieten mir davon ab, das Abitur zu machen, weil sie mir das nicht zutrauten.

Einer der wichtigsten Wendepunkte in meinem Leben war mein Umzug in einen neuen Stadtteil und der damit verbundene Schulwechsel. An meiner neuen Schule war ich für die Lehrer ein normaler Schüler. Sie haben mich ohne Vorurteile aufgenommen. Und obwohl ich nur geringfügig mehr für die Schule machte, wurden meine Noten deutlich besser. Daneben hatte ich das Glück, ein Schülerstipendium zu bekommen. Die größte Unterstützung dabei war, dass es eine Institution gab, die an mein Potenzial glaubte.

2014 habe ich Abitur gemacht, und es war so gut, dass ich einen Studienplatz für Medizin bekommen habe. Danach wurde ich an mehreren US-Forschungsinstitutionen zur Promotion über Neurogenetik angenommen. Seit diesem Herbst bin ich an der Harvard Medical School. Ich hoffe, eine neue Form der Gentherapie bei Hirntumoren zu entwickeln.

Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass ich mich mal für einen Promotionsplatz zwischen Elite-Unis wie Stanford, Yale oder Harvard entscheiden dürfte, hätte ich das nicht geglaubt. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, einen seiner größten Träume zu verwirklichen.

Neben meinem Studium habe ich mehrere NGOs gegründet. Das hat auch mit meiner Geschichte zu tun. Dass jemand an mich glaubt und meine Leistung anerkennt und mich mit Preisen und Stipendien auszeichnet, hat mich motiviert. Deshalb engagiere ich mich dafür, dass jeder die Möglichkeit erhält, sich zu entfalten, unabhängig von seiner Herkunft.
Aufgezeichnet von Thomas Kerstan


Die Normale

Hannah Kiesbye hat das Down-Syndrom. Und will, dass das egal ist

Hannah Kiesbye, 16, empfand sich nie als behindert. Sondern als eine Jugendliche, die völlig in Ordnung ist. Schwer in Ordnung, um genau zu sein. Deshalb bastelte sie einen Ausweis, auf dem genau das steht.


Hannah Kiesbye © Paula Markert für DIE ZEIT

Ich möchte so sein wie die anderen. Ich lebe mit dem Down-Syndrom, aber ich führe ein normales Leben. Ich finde es unfair, dass ich "schwerbehindert" sein soll und [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Damit werde ich in eine Schublade gesteckt. Außerdem passt der Ausweis nicht zu mir. Im Alltag brauche ich die Hilfe meiner Eltern kaum. Ich reite, gehe zum Zirkus, lese gerne Bücher und schreibe. Wenn ich etwas auf dem Herzen habe, bringe ich es zu Papier.

In der Schule habe ich einen Aufsatz über meinen Alltag geschrieben. Ich habe mir vorgestellt, wie ich dem Busfahrer auf dem Weg zur Schule statt meines Schwerbehindertenausweises stolz einen Ausweis vorzeige, auf dem "Schwer-in-Ordnung" steht. Diese Fantasie wurde wenig später Wirklichkeit. Meine Lehrerin fand die Idee nämlich super, und so habe ich eine Hülle für meinen Ausweis gebastelt. Wenn man ihn da reinsteckt, wird der alte Name verdeckt. Und zwar mit der Bezeichnung "Schwer-in-Ordnung-Ausweis".

Meinen Aufsatz habe ich an ein Magazin geschickt, das hat ihn veröffentlicht. Dort hat ihn jemand gesehen und getwittert. Der Tweet hat knapp 4000 Menschen gefallen. "Warum ist da bloß vorher niemand drauf gekommen?", hat jemand als Kommentar geschrieben.

Ich hätte nicht gedacht, dass das solche Wellen schlägt. Einige Zeitungen und sogar die Tagesschau haben über mich berichtet. Die Pressetermine waren aufregend. Die Journalisten fragten ganz viel. Und auch andere Menschen mit Behinderung wollten danach so einen Ausweis haben.

Acht Bundesländer haben die "Schwer-in-Ordnung"-Hülle bisher eingeführt. Es gibt einen Wikipedia-Eintrag, und im Bundestag wurde darüber diskutiert, dass der Schwerbehindertenausweis lieber "Teilhabeausweis" heißen sollte.

All das hat mir Selbstvertrauen gegeben. Ich spreche nun ganz anders mit meinen Lehrern und Erwachsenen. Für das neue Jahr habe ich den Wunsch, dass alle Bundesländer die Hülle einführen und der Schwerbehindertenausweis am Ende ganz in "Schwer-in-Ordnung-Ausweis" umbenannt wird.

Bis dahin zeige ich dem Busfahrer weiterhin meinen selbst gebastelten Ausweis vor.
Aufgezeichnet von Philipp Schulte


"Ich wollte mich nicht mit den Umständen abfinden"

Der Redner

Der CDU-Mann Philipp Amthor weist den Populismus in die Schranken

Philipp Amthor ist mit 26 Jahren das jüngste Mitglied des Bundestages. Das allein ist bemerkenswert. Doch bundesweites Aufsehen erregte Amthor, als er mit einer Rede einen Antrag der AfD im Parlament zerpflückte.


Philipp Amthor © Peter Rigaud/laif

Ich hatte mich gut auf die Rede vorbereitet, habe sie sogar durchgesprochen. Es war ja erst meine zweite Rede im Deutschen Bundestag. Als ich zum Rednerpult ging, spürte ich eine leichte Anspannung, sah sie aber als ein positives Gefühl. Ich war bereit und mir bei meinen Argumenten so sicher, dass ich jede Zwischenfrage zugelassen hätte. Die kamen auch – aus den Reihen der AfD.

Bei guten Antworten geht es darum, spontan zu sein, auch mal vom Manuskript abzuweichen, in den Dialog zu treten, emotional zu sein. Mein Satz "Hören Sie mir mal zu, dann können Sie noch was lernen" war improvisiert. Dass er die AfD-Politiker getroffen hat, konnte ich ihren Gesichtern ansehen. Im Nachhinein wurde ich oft auf die Rede angesprochen: Mensch, [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] – klasse. Eigentlich war es aber vor allem eine Rede gegen schlechte Sacharbeit.

Bis zwei Tage vor der Debatte kannten wir in der CDU nur den Titel des AfD-Antrags: "Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum". Da dachte ich mir: Oh, da könnte uns die AfD in Konflikte bringen, da es auch den Überzeugungen der CDU entspricht, die Vollverschleierung zu verbieten, wo es rechtlich zulässig ist. Als ich aber den kompletten Antrag gesehen habe, war ich verwundert, weil er handwerklich so schlecht war. Die AfD wollte ein komplettes Verbot der Vollverschleierung, was vom Grundgesetz nicht gedeckt ist und gegen die Religionsfreiheit verstößt. Das war so absurd, dass ich gleich mit der Verfassung argumentieren konnte. Ein Kinderspiel.

Nach der Rede wurde mir von manchen Parlamentariern jugendliche Arroganz vorgeworfen. Den Eindruck wollte ich nicht erwecken. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich keine Allüren habe. Es hängt auch nicht vom Alter ab, wie gut Argumente sind.

Die Tragweite meines Auftritts wurde mir erst bewusst, als mein Telefon ständig klingelte. Manche Professoren haben wohl auf die Rede in Vorlesungen verwiesen, Lehrer haben sie im Unterricht gezeigt. Das freut mich. Ich hoffe – auch wenn ich nichts überbewerten will –, dass die Rede einen bescheidenen Beitrag dazu geleistet hat, wie man künftig mit der AfD umgeht. Und was besonders schön wäre: Vielleicht hat sie bei dem einen oder anderen Interesse für Verfassungsrecht geweckt.
Aufgezeichnet von Philipp Schulte


Der Gründer

Mit Erfindergeist und Optimismus will Oumar Basse Westafrika verändern

Gesellschaftliche Probleme wie Arbeitslosigkeit oder Umweltverschmutzung lösen? Unmöglich ohne Kapital oder Hilfe von außen. Dieser Glaube ist in Westafrika weitverbreitet. Nicht so bei Oumar Basse, 27, aus dem Senegal. Der Digitalunternehmer entwickelt praktische Lösungen, die seine Umwelt verändern. Und sein Erfindergeist wirkt ansteckend.


Oumar Basse © Papa Sakho

Ernteausfälle als Folge von Klimawandel, Krankheiten durch Umwelt- und Luftverschmutzung, Infrastrukturprobleme, Jugendarbeitslosigkeit: Man kann überwältigt sein von den Herausforderungen, denen wir uns hier im Senegal und in Westafrika gegenübersehen. Oder man packt sie an.

Ich habe mich früh für die zweite Option entschieden. Schon in der Schule wurde ich als Rebell bezeichnet, weil ich mich nicht mit den Umständen abfinden wollte.

Und nach meinem Informatik- und Mathematikstudium habe ich auch gleich mehrere Tech-Start-ups gegründet, um konkrete Probleme anzugehen.

Alles begann mit meiner Tante, die unter Asthma litt, weil die Luft in der Region um unsere Hauptstadt Dakar so verschmutzt ist. Als ich erfuhr, dass sie damit nicht allein war, baute ich eine kleine Box, billig in der Herstellung, billig im Preis. Die programmierte ich so, dass sie den Grad der Luftverschmutzung auf dem Smartphone sichtbar macht. Gratis dazu gibt es Gesundheitsempfehlungen für Risikogruppen. Das Ganze taufte ich Nano Air Box.

Im Jahr darauf kam eine weitere Box dazu. Dieses Mal für die ländliche Bevölkerung des Senegals. Denn wann immer ich meine Familie auf dem Land besuchte, konnte ich nicht glauben, wie viel Zeit sie verschwendete, um zu ihren Feldern zu kommen. Sie musste unzählige Kilometer laufen, nur um die Bewässerungspumpen an- und abzustellen. Das ist kein Einzelfall. Ich fand heraus, dass es im Senegal mehr als 50.000 landwirtschaftliche Unternehmen gibt, deren Betreiber mehr als fünf Kilometer zu ihren Feldern zurücklegen müssen. Das Schlimmste daran? Neben wertvoller Zeit und Geld gehen so jährlich Millionen von Kubikmetern Wasser verloren. Und das in der vom Klimawandel geplagten Sub-Sahel-Landwirtschaft!

Darum gibt es jetzt meine "Widim Pompe", mit der man Bewässerungssysteme per SMS von zu Hause aus steuern kann. Für SMS als Steuerungsinstrumente habe ich mich entschieden, weil die Menschen auf dem Land nur wenige Smartphones besitzen. Wie auch bei der Nano Air Box wird nur produziert und programmiert, wenn ein Auftrag inklusive Zahlung eingeht. Auf diese Weise kann ich den Bedarf exakt einschätzen und muss keinen Kredit aufnehmen.

Etwas zu bewegen, eigenmächtig zu handeln, ist mir extrem wichtig. Leider ist es gar nicht so leicht, Gleichgesinnte zu finden. Jungen Menschen fehlt es bei uns nicht nur an lokalen Vorbildern. Es fehlen auch Gelegenheiten, bei denen sie lernen können, an sich und ihre Fähigkeiten zu glauben. Selbst aktiv zu werden. Vielen bleibt nur, auf die Hilfe von außen zu hoffen. Das hängt auch mit der langen Fremdbestimmung des Senegals zusammen.

Inzwischen habe ich aber ein junges und motiviertes Team mit mehr als 25 Vollzeitangestellten und einigen Praktikanten aus Afrika und Europa aufgebaut und kenne auch die restliche Start-up-Szene in der Region ganz gut.

Weil ich junge Uni-Absolventen darin bestärken möchte, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, werde ich 2019 ein weiteres Projekt starten: eine digitale Praktikumsbörse, die die Start-up-Szene Westafrikas mit jungen Menschen vernetzt, Mut macht. Stellen Sie sich vor, was wir schaffen können, wenn alle zusammen mutig zupacken!
Aufgezeichnet von Valentina Aversano-Dearborn


Transparenzhinweis: Backtosch Mustafa war als Speaker zu Gast bei Z2X18, dem Festival für junge Visionäre, das am 1. und 2. September in Berlin stattfand und von ZEIT ONLINE veranstaltet wurde. [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
Quelle: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
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"Mitleid und Erbarmen hielten Bilbos Hand zurück. Viele, die leben, verdienen den Tod und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben, Frodo? Dann sei nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand. Selbst die ganz Weisen erkennen nicht alle Absichten. Mein Herz sagt mir, dass Gollum noch eine Rolle zu spielen hat, zum Guten oder zum Bösen, ehe das Ende kommt." (Gandalf zu Frodo)
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