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Unterdrückung der Uiguren: Wie tief sind deutsche Konzerne in das System in Xinjiang

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Ungelesen 03.02.24, 11:20   #1
ziesell
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Standard Unterdrückung der Uiguren: Wie tief sind deutsche Konzerne in das System in Xinjiang

Zitat:
Unterdrückung der Uiguren: Wie tief sind deutsche Konzerne in das System in Xinjiang verstrickt?

Neue Vorwürfe gegen deutsche Unternehmen China: Mitarbeiter von BASF-Joint-Ventures sollen Uiguren ausspioniert haben, Volkswagen will sich mit einem umstrittenen Gutachten für den Kapitalmarkt reinwaschen.



Gülpiya Qazibek weiß nicht mehr genau, wann sie zum ersten Mal von der neuen, brutalen Kampagne mit dem ach so liebevollen Slogan hörte. Ausgedacht hatten ihn sich die Parteikader im nordwestchinesischen Xinjiang, um die Uiguren und andere muslimische Minderheiten in der Region zu gängeln. War es 2014, vielleicht auch 2015? Den Namen aber hat sie nicht vergessen: »Fanghuiju«. Er bedeutet: »Die Menschen besuchen, das Leben verbessern und die Gefühle des Volkes vereinen.«

Was nach dem Wahlspruch eines saften Humanismus klingt, war der Anfang der massiven Unterdrückung der Uiguren. Überall in Xinjiang strömten Beamte und Offizielle in die Dörfer, forschten muslimische Familien aus und zogen auf behördliche Anordnung sogar bei ihnen ein.

Eine dieser staatlichen Aufseherinnen war Gülpiya Qazibek, chinesische Kasachin, Genossin in der Abteilung für Geburtenplanung der Stadt Ghulja. Früher trug sie in großen Taschen das Strafgeld all jener zur Bank, die gegen die Einkindpolitik verstoßen hatten, erzählt sie. Sie nahm an Zwangsabtreibungen teil, hielt die Arme und Beine der schreienden und um sich schlagenden Mütter fest, bis die Ärzte die Spritzen setzten, die die Wehen auslösten. Alles für die Partei, alles für das Land.

Die 46-Jährige empfängt in ihrer Wohnung in Almaty. 2019 hat sie China verlassen, ist ins benachbarte Kasachstan geflohen, sie ist eine der ganz wenigen Täterinnen, die über das Unrecht sprechen, das Hunderttausenden Muslimen in Xinjiang in den vergangenen Jahren angetan worden ist. In jener Region, in der zwei deutsche Konzerne, Volkswagen und BASF, als beinahe einzige ausländische Firmen Werke errichtet haben – mitten in einem Unterdrückungssystem.

Die Unternehmen argumentieren stets, dass sie wie Inseln in der Region zu sehen seien. Etwa im Werk der Firma Xinjiang Markor Chemical Industry in Korla. BASF hält an dem Unternehmen Anteile, gemeinsam mit der Zhongtai Group, einem Konzern, der im September 2023 als eines von 27 Unternehmen von den US-Behörden auf eine schwarze Liste gesetzt wurde. Produkte dieser Firmen dürfen nicht in die USA eingeführt werden, weil der Verdacht besteht, dass Zwangsarbeiter daran beteiligt gewesen sein könnten.

In dem Werk wird Butandiol hergestellt, ein Vorprodukt für Textilfasern, das man etwa für Sportbekleidung nutzt. Knapp 100 Menschen arbeiten dort, vor allem Han-Chinesen, die größte Ethnie Chinas, keine Uiguren, keine Kasachen. Keine der Minderheiten, die in Xinjiang systematisch unterdrückt werden, also auch kein Problem, so vertrat man es bislang am Konzernsitz in Ludwigshafen.

Recherchen von SPIEGEL und ZDF zeigen nun aber, wie das Werk dennoch offenbar ins Unrechtssystem verstrickt ist. Die Belege finden sich einsehbar für jeden auf der Website von Markor. Diese Firmenberichte erzählen eine ganz andere Geschichte, als BASF sie bislang der deutschen Öffentlichkeit präsentierte. Markor-Mitarbeiter haben offenbar an der Fanghuiju-Kampagne teilgenommen.

Da ist etwa ein Bericht vom 23. Februar 2018, illustriert mit Fotos. Man sieht Mitarbeiter des Werkes, die sich während des Frühlingsfestes auf den Weg in ein Dorf namens Aqiang gemacht haben. Sie notierten: »Am Abend des 15. Februar gab es für das erste Fanghuiju-Arbeitsteam von Markor ein einfaches Abendessen.« Danach teilte man sich in zwei Gruppen auf und schaute mit den Dorfbewohnern die Frühlingsfestgala im Staatsfernsehen. Am 17. Februar nahmen die Markor-Mitarbeiter an einer Sitzung des Dorfkomitees teil. »Es gibt 24 Haushalte, die gezielt kontrolliert werden müssen. Bei der Sitzung wurden besondere Vorkehrungen für nächtliche Haushaltsbesuche getroffen«, heißt es im Rapport.

Was »gezielte Kontrolle« bedeutet, weiß Gülpiya Qazibek nur zu gut. Sie hat Tee gekocht, mit Milch und etwas Sahne. Vom Fenster ihrer Wohnung sieht man Plattenbauten, Eis und Schnee. 2016, erzählt sie, fing sie an, im Auftrag der Partei Dörfer zu besuchen. »Wir sind von Haus zu Haus gegangen und haben gefragt: Wer wie viel betet, wie häufig in die Moschee geht, wer einen Koran hat, wer wie oft in Kasachstan oder in anderen Ländern war«, sagt sie. Montags Flaggenhissen, donnerstags lehrte sie von 18 bis 20 Uhr politische Bildung – alles, um die Uiguren auf Linie zu bringen.

»Wir waren zu zweit für zwölf Familien zuständig. Das Übernachten lief unter dem Slogan ›Nationale Einheit als eine Familie‹. Eigentlich sollten ausschließlich han-chinesische Beamte in uigurische oder kasachische Häuser ziehen, aber in unserem Bezirk gab es nicht genug Han-Chinesen, deshalb wurden auch wir hingeschickt«, sagt Gülpiya Qazibek.

Der Apparat teilte die Familien in drei Kategorien ein: sicher, normal und schwierig. »Die schwierigen Haushalte mussten wir auf jeden Fall besuchen, häufig mehrmals«, erzählt Gülpiya Qazibek. »Die schwierigen Familien sind die, die im Lager waren oder viel im Ausland gewesen sind. Da musst du alles wissen: Wann sie wo waren, wen sie kennen, was sie getan haben. Alles haben wir in unser Fanghuiju-Heft geschrieben.«

Die so gesammelten Informationen wurden Hunderttausenden zum Verhängnis. Die Behörden steckten die Menschen in Umerziehungslager und Gefängnisse. Von den 40.000 Einwohnern in dem von ihr betreuten Gebiet, sagt Gülpiya Qazibek, seien etwa 10.000 eingesperrt worden. Für Kinder, deren Eltern umerzogen worden seien, sei ein eigenes Lager eingerichtet worden.

»Wir hatten alle Angst: heute du, morgen ich; wir warteten alle darauf, selbst irgendwann mitgenommen zu werden. Wir sahen die Listen der Bauern, die festgenommen werden sollten«, sagt Gülpiya Qazibek. »Sie haben angefangen, in Klamotten zu schlafen, damit sie bereit sind, falls sie nachts abgeholt werden. Wir dann irgendwann auch.« Ihre damals 65-jährige Mutter erwischte es 2017. Sie wurde auf einer Hochzeit festgenommen und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Warum? Weil sie zu Hause betete. Nach sechs Jahren im Frauengefängnis von Ghulja kam sie im vergangenen Herbst frei und steht seitdem unter Hausarrest.

Auch in regelmäßigen Berichten zur gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung von Markor finden sich Hinweise auf die Beteiligung an der Fanghuiju-Kampagne. »Im Jahr 2019 setzte Markor seine Bemühungen im Rahmen der Aktivität ›Nationale Einheit als eine Familie‹ fort und hielt an langfristigen und kontinuierlichen Partnerschaftsaktivitäten fest.« Während zahlreicher Feste seien »Hausbesuche« durchgeführt worden. 18 Kader und Angestellte hätten teilgenommen. Ziel sei es, »doppelzüngige Personen zu entlarven und zu kritisieren«.

BASF hat in China große Pläne, 2022 eröffnete der Konzern einen neuen, milliardenschweren Standort in der südchinesischen Provinz Guangdong. Zum umstrittenen Werk in Korla, Xinjiang, teilt der BASF-Konzern mit, er achte die Menschenrechte, der Standort werde regelmäßig überprüft. »Bislang hatten wir keine Kenntnis von den genannten Markor-Berichten von 2018/19 und den darin beschriebenen Aktivitäten bei Markor.« Man nehme die Hinweise »sehr ernst«, werde ihnen weiter nachgehen und sie in der weiteren Bewertung berücksichtigen.

»Das reicht nicht«, meint der deutsche Anthropologe Adrian Zenz, der seit Jahren zur Unterdrückung der Uiguren forscht. Im Internet fand er 2017 Bauausschreibungen, die die Existenz der Umerziehungslager belegen. In den Dokumenten ging es um Stacheldraht, Beton, Panzersperren. Und Zenz war es, der den SPIEGEL und das ZDF auf die Mitteilungen auf der Markor-Website aufmerksam machte.

»BASF, aber auch Volkswagen haben eine besondere historische Verantwortung«, sagt Zenz. BASF sei Teil der IG Farben gewesen, die das zur Massentötung in den Konzentrationslagern verwendete Giftgas Zyklon B herstellte. »Und VW wurde in Dreißigerjahren mithilfe der Nazis aufgebaut«, sagt Zenz. Es sei eine Schande, dass ausgerechnet diese Konzerne nun in einer Region aktiv sind, in der Hunderttausende in Umerziehungslager gesteckt wurden. »Die Markor-Produktion und das VW-Werk sollten umgehend geschlossen werden.«

Reputationsrisiko für Volkswagen

VW hält ebenfalls an seinem Werk in der Region fest, obwohl die Fabrik in Xinjiangs Hauptstadt Ürümqi, die VW gemeinsam mit dem chinesischen Staatskonzern SAIC betreibt, wirtschaftlich irrelevant ist.

Die knapp 200 Beschäftigten vor Ort seien »überdurchschnittlich bezahlt und haben nur wenig zu tun«, befand vor Weihnachten das Berliner Beratungsunternehmen Löning, das den umstrittenen Standort vergangenes Jahr in Volkswagens Auftrag begutachtete. Das Werk werde nur noch »für technische Inbetriebnahmen und Auslieferungen an Händler in der Region« genutzt.

Warum geht der Autokonzern trotzdem ein derart hohes Reputationsrisiko ein?

Der Audit-Bericht der Firma Löning sollte offenbar Kritiker besänftigen, und tatsächlich lieferte er VW das erhoffte Ergebnis: Man habe »keine Hinweise« auf Zwangsarbeit bei den Werksarbeitern finden können. Fraglich bleibt allerdings, wie aussagekräftig solche Analysen überhaupt sind.

Aufruhr in der Beratungsfirma

Studienleiter Markus Löning erklärte später laut »Financial Times«, er habe in erster Linie schriftliche Arbeitsdokumente ausgewertet. Gespräche vor Ort seien für die betroffenen Mitarbeiter hingegen »gefährlich«: »Selbst wenn sie über etwas Bescheid wissen, können sie das nicht in einem Interview sagen.«

Dieser Umstand schien Volkswagen offenbar wenig zu stören. Zumal der Bericht offenbar hauptsächlich einen mächtigen Player am Kapitalmarkt überzeugen sollte. Der US-Finanzdienstleister MSCI hatte nachhaltig orientierte Anleger zuvor vor einem Investment in den VW-Konzern gewarnt, wegen des Xinjiang-Engagements. Der Löning-Bericht wirkte nun wie ein Persilschein: MSCI entfernte daraufhin die »rote Flagge« wieder. VW betont, der Bericht habe auf dem »uneingeschränkten Zugang zu relevanten Dokumenten und Unterlagen sowie deren umfassender Prüfung« basiert. Darüber hinaus seien Interviews vor Ort geführt worden. Entsprechend komplett und valide sei der Bericht. Auch Markus Löning schrieb später auf LinkedIn, er stehe als Geschäftsführer und Gesellschafter »zur geleisteten Arbeit meines Unternehmens«.

In der Berliner Beratungsfirma Löning hingegen, die eine hohe Reputation für ihre Menschenrechtsexpertise genießt, herrschte Aufruhr. Mehrere Mitarbeiter distanzierten sich öffentlich von der Auftragsarbeit für VW: Das Projekt sei lediglich von Löning selbst und einem weiteren Kollegen durchgeführt worden. Kein anderes Teammitglied von Löning sei an dem Audit beteiligt gewesen oder habe es unterstützt.

Riesiges Testgelände könnte zum Problem werden

Eigentlich gebe es für das VW-Werk nur eine Option, heißt es aus dem Umfeld der Beratungsfirma: die Schließung. Angesichts des repressiven Regimes in der Region sei der Konzern dort nicht in der Lage, angemessen zu kontrollieren, welchen Einfluss sein Wirken auf die Menschenrechtssituation vor Ort habe. Damit verstoße der Konzern gegen seine menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten, die in den Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verankert sind und sich auch im deutschen Lieferkettengesetz widerspiegeln. VW sagt dazu, der Konzern orientiere seine globalen Aktivitäten auch an den Uno-Leitprinzipien. Die Entscheidung zum Bau des Werks sei in den Jahren 2011 und 2012 »allein auf der Basis wirtschaftlich-strategischer Erwägungen« erfolgt. Außerdem sei es kein konzerneigenes Werk, Volkswagen könne es nicht ohne Abstimmung mit dem Partner SAIC schließen. Der gemeinsame Vertrag sehe eine Laufzeit bis 2030 vor.

Das Werk in Ürümqi ist keineswegs die einzige Schwachstelle von VW. Was weiten Teilen der Öffentlichkeit bislang unbekannt ist: In der nahe gelegenen Stadt Turpan betreibt der Konzern gemeinsam mit dem Staatskonzern SAIC ein riesiges Testgelände für Fahrzeuge. Das dortige Wüstenklima gilt als ideal für diesen Zweck. Nach früheren Angaben umfasst es eine Fläche von mehr als 23 Millionen Quadratmetern, das entspricht mehr als 3200 Fußballfeldern. Es steht nach VW-Angaben auch anderen Autoherstellern und Marken offen.

Das Testgebiet könnte für VW noch zum Problem werden. Es wurde erst 2019 eröffnet, zu einer Zeit, als die systematische Unterdrückung der Uiguren in der Region auf dem Höhepunkt war. VW sagt dazu, die Entscheidung für das Testgelände sei bereits »lange vor der Eröffnung« erfolgt, im Zusammenhang mit dem Bau des Werks in Ürümqi. Das Gelände werde, wie auch das Werk, vom Joint-Venture SAIC Volkswagen betrieben, in dem VW nicht die Kontrollmehrheit halte. Mit dem Partner SAIC stimme man darin überein, »dass in allen Geschäftsaktivitäten Menschenrechte und gute Arbeitsbedingungen oberste Priorität haben«.

Eine zusätzliche Untersuchung in Turpan schließt der Konzern nicht aus. Überfällig wäre es: Bau und die Instandhaltung von Straßen gelten als mögliches Einsatzgebiet uigurischer Zwangsarbeiter.
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