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"Black Lives Matter"-Proteste in Deutschland "Ein Weißer kann diese Gewalterfahrung

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Ungelesen 13.06.20, 18:08   #1
pauli8
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Standard "Black Lives Matter"-Proteste in Deutschland "Ein Weißer kann diese Gewalterfahrung

Ein gutes und aussagekräftiges Interview mit einer Professorin für Germanistik.

Zitat:
"Black Lives Matter"-Proteste in Deutschland

"Ein Weißer kann diese Gewalterfahrung nicht vollständig erfassen"

Woher kommt die große Solidarisierung in Deutschland mit den Anti-Rassismus-Protesten in den USA? Die Germanistin Priscilla Layne über die Rolle von Schwarzen GIs, positive Stereotype und kulturelle Aneignung.

Ein Interview von Hannah Pilarczyk


13.06.2020, 17.50 Uhr



Anti-Rassismus-Proteste in Berlin: Gesten der Solidarisierung
ODD ANDERSEN/ AFP

Zitat:
Zur Person



privat

Priscilla Layne ist Professorin für Germanistik an der Universität von North Carolina.

Schwerpunkte ihrer Arbeit sind u.a. der kulturelle Austausch zwischen Deutschland und den USA sowie die Situation und Kultur von Afrodeutschen. 2018 erschien ihr Buch "White Rebels in Black: Appropriating Black Popular Culture in Postwar Germany". Sie hat u.a. Bücher von Feridun Zaimoglu ins Englische übersetzt. 2018 war sie Fellow an der American Academy in Berlin.
SPIEGEL: Frau Layne, am vergangenen Wochenende sind in Deutschland mehr als 100.000 Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen Rassismus und rassistische Polizeigewalt zu protestieren - eine direkte Reaktion auf die Ereignisse in Ihrer Heimat USA nach dem Mord an George Floyd. Hat Sie das große Echo überrascht?

Priscilla Layne: Nein. Als jemand, der sich beruflich mit den deutsch-amerikanischen Beziehungen und deren Geschichte beschäftigt, ist mir bewusst, wie stark in Deutschland auf Entwicklungen in den USA reagiert wird - und das seit Jahrzehnten. Die Bürgerrechtsbewegung, der Vietnamkrieg oder die Ermordung Kennedys waren alles Ereignisse, die starke Reaktionen hervorgerufen haben, mal in Form von Solidarisierung, mal in Form von Protest.

Ich kann da auch aus persönlicher Erfahrung sprechen: Ich war 2001 das allererste Mal in Deutschland und lebte dort bei einer Gastfamilie. Als die Anschläge vom 11. September passierten, habe ich die große Anteilnahme der Deutschen unmittelbar erlebt und erinnere mich noch sehr genau an die vielen Blumen, die vor der US-Botschaft abgelegt wurden.

SPIEGEL: Ist der starke Bezug auf anti-rassistische Bewegungen in den USA hierzulande also nicht neu?

Layne: Doch, wobei es vor allem Schwarze Deutsche waren, die in jahrelanger Arbeit diesen Bezug hergestellt haben. Sie haben schon ab den Achtzigerjahren verstärkt den Austausch mit den Schwarzen Communities in den USA gesucht. Es gibt ja schon länger einen deutschen Ableger von "Black Lives Matter".

SPIEGEL: Die Veranstalter der Demos waren überrascht von den großen Teilnehmerzahlen, auch die Verblüffung in den Medien war groß. Ein Ausdruck davon, dass Rassismus als gesellschaftliches Problem unterschätzt wird?

Layne: In jedem Fall gibt es Verdrängungmechanismen in Bezug auf Rassismus, die in Deutschland seit Jahrzehnten greifen. Bei meiner Forschung habe ich festgestellt, wie seit den Fünfzigerjahren das Interesse in Deutschland an einer Auseinandersetzung mit Rassismus wächst - aber nur, wenn er nichts mit der deutschen Gesellschaft zu tun hat. Unter den 68ern war die Solidarisierung mit den Black Panthers, mit Martin Luther King oder Malcolm X groß, gleichzeitig wurde überhaupt nicht thematisiert, wie es Schwarzen Deutschen geht.


Proteste in Berlin Ende Mai
ODD ANDERSEN/ AFP

SPIEGEL: Bei den aktuellen Protesten waren viele der Schilder und Plakate auf Englisch. Geht es also wieder nur um die Konflikte in den USA und nicht um die im eigenen Land?

Layne: Plakate auf Englisch kann man auch als Geste der Solidarisierung verstehen: Afro-Amerikanerinnen und -Amerikaner sehen die Bilder aus Deutschland und verstehen, worum es geht - auch ohne ein Wort Deutsch zu können. So entsteht Nähe. Außerdem gibt es viele Dinge, die sich nur sehr schwer übersetzen lassen.

In Deutschland wird zum Beispiel statt "Rasse" gern das englische Wort "race" verwandt und kursiv gesetzt, um Nazi-Konnotationen zu umgehen. Auch "People of Color" oder "Intersektionalität" sind direkte Übernahmen aus dem US-Amerikanischen, um Übersetzungsfehler und Ungenauigkeiten zu vermeiden. So etwas finde ich sinnvoll.

SPIEGEL: Wo hat die Solidarisierung von weißen Deutschen mit Schwarzen Amerikanern historisch ihren Ursprung?

Layne: Vor allem in der Präsenz Schwarzer Soldaten in West-Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei das eine sehr ambivalente Phase ist. Einerseits öffnet sich die deutsche Gesellschaft, anderseits dauern bestimmte historisch gewachsene Vorurteile an.

Für Schwarze GIs war Deutschland übrigens ein attraktiver Einsatzort, viele wollten dorthin geschickt werden, da sie das Gefühl hatten, dort gut behandelt zu werden. Sie gehörten ja auch zu den Siegern, konnten entsprechend selbstbewusst auftreten und waren auch noch finanziell bessergestellt als viele Deutsche. In der historischen Quellenforschung habe ich viele Berichte von Deutschen gefunden, die Schwarze GIs als besonders freundlich erlebt haben. Gleichzeitig schlug ihnen Diskriminierung sowohl von deutscher Seite als auch von ihren weißen Kollegen entgegen.

SPIEGEL: Was ändern dann die sozialen Bewegungen der Sechzigerjahre, die Frauen- und die Studentenbewegung?

Layne: Auch die Sechziger sind im Grund noch eine konservative Periode, doch die Perspektiven weiten sich. Die Menschen schauen nach Afrika und Asien, nehmen die Kämpfe dort wahr und solidarisieren sich. Gleichzeitig hält eine neue problematische Entwicklung Einzug: Die Fetischisierung und Exotisierung von Schwarzen.

Ihre Kultur wird gefeiert und angeeignet, ohne dass Weiße dabei ihre Privilegien reflektieren. Überall in Europa identifizieren sich weiße Jugendliche mit "Blackness". Das spiegelt sich nicht zuletzt in der britischen Rock-Musik dieser Zeit. In dem The-Who-Song "Substitute", in dem es um einen Möchtegern-Typen geht, heißt es etwa: "I look all white/But my dad was black". Identität wird hier als etwas begriffen, dessen man sich bedienen kann und das man auch wieder ablegen kann, wenn einem da nach ist.

SPIEGEL: Haben Sie noch weitere Beispiele dafür?

Layne: In einer historischen Quelle beschreibt ein westdeutscher Blues-Fan, dass er wegen seiner langen Haare öfters aus Geschäften rausgeschmissen werde - das mache ihn gewissermaßen zu einem Schwarzen. Diese Gleichsetzung ist natürlich viel zu grob, man kann nicht alles unter Subkultur subsumieren. Seine Haare kann man ja schneiden, "Blackness" geht dagegen nicht weg und die Bedrohung, die damit einhergeht, verschwindet nicht. Positive Stereotype über Schwarze reichen übrigens länger zurück.

SPIEGEL: Was meinen Sie damit?

Layne: Schon zwischen den Weltkriegen wuchs das Interesse von Weißen zum Beispiel an Jazz oder afrikanischer Kunst stark an. Dabei gab es viele Festlegungen: "Blackness" wurde etwa mit Sexualität, mit Coolness und Rebellion gleichgesetzt. Das ist natürlich eine extrem begrenzte Sicht auf eine überaus facettenreiche Kultur.

SPIEGEL: Wie setzt sich das in der Gegenwart fort?

Layne: Aus persönlicher Erfahrung: Ich bin in Chicago aufgewachsen und habe in meiner Jugend viel Punk gehört. Als ich mit 20 das erste Mal nach Deutschland kam, haben mich alle nur auf Hip-Hop angesprochen und gedacht, dass wäre "meine" Musik. Wenn ich auf den Flohmärkten nach Punk-Schallplatten gefragt habe, haben mich dagegen alle für verrückt gehalten.

"Auch ich musste mir angewöhnen, in bestimmten Situationen den Mund zu halten."
Priscilla Layne

SPIEGEL: Die unverhältnismäßige Identifikation mit Schwarzer Kultur ist in den vergangenen Jahren unter dem Schlagwort "kulturelle Aneignung" immer stärker ins Bewusstsein vorgedrungen. Wo verlaufen für Sie die Trennlinien zwischen Solidarisierung und Aneignung?

Layne: Ich mag keine starren Regeln formulieren. Das variiert zu stark von Fall zu Fall. Solange sich die Person, die sich der Kultur bedient, dies mit Respekt und Anerkennung für ihre Verdienste tut, scheint es mir okay zu sein. Aber ein paar Grenzen würde ich schon ziehen: Wenn eine weiße deutsche Person ein T-Shirt mit der Aufschrift "I can’t breathe" trägt, finde ich das problematisch. Ein Weißer kann diese Gewalterfahrung einfach nicht vollständig erfassen.

SPIEGEL: Wie lässt sich so etwas am besten thematisieren? Ist das etwas, das Weiße unter sich ausmachen sollten? Es ist ja nicht Aufgabe von Schwarzen, Weiße ständig auf ihre Fehler und Missverständnisse hinzuweisen.

Layne: Ich würde das als Teil einer größeren, diverseren Auseinandersetzung sehen, in der sich Weiße, die Verbündete im Kampf gegen Rassismus sein wollen, im Zuhören und Annehmen von Kritik üben sollten. Das betrifft gewissermaßen auch mich: Wenn ich in Deutschland bin und mich an Orte begebe, die von Schwarzen Deutschen betrieben werden, habe ich auch oft den Impuls, in Gesprächsrunden aufzuspringen und meine Expertinnensicht auszubreiten. Aber dann wird mir bewusst, dass hier Leute über ihre persönlichen, kontextgebundenen Erfahrungen sprechen - und dass ich da bin, um von ihnen zu lernen. Auch ich musste mir angewöhnen, in bestimmten Situationen den Mund zu halten.
Quelle:

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