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Standard US-Unruhen - Am Ende eines Ancien Régime

Zitat:
US-Unruhen

Am Ende eines Ancien Régime

Die Schriftstellerin Margaret Atwood prophezeite den USA schon vor anderthalb Jahren eine Französische Revolution. Die gesellschaftlichen Parallelen sind längst da.

Von Nora Bossong


7. Juni 2020, 15:12 Uhr



das ist natürlich nicht der Sturm auf die Bastille, aber eine zu lange verkannte Unruhe zeigt sich grad auch in Washington D.C. © Drew Angerer/Getty Images

Dieser Artikel ist erschienen auf unserer Schriftstellerplattform "Freitext". Hier finden Sie alle Artikel.

"Ist das eine Revolte?", soll der französische König den Herzog Liancourt am 14. Juli 1789 gefragt haben. "Nein, Sire, das ist eine Revolution", war dessen Antwort. Es ist nicht überliefert, ob Donald Trump im Bunker seinen Berater fragte, ob es sich da draußen um eine Revolution oder um eine Revolte handele, man kann aber mutmaßen, dass sich Trump mit Fragen nicht weiter aufhielt, sondern lieber ein paar Aussagen twitterte.

Zitat:
NORA BOSSONG

wurde 1982 in Bremen geboren, sie schreibt Gedichte, Romane und Essays. Im Hanser Verlag erschien der Gedichtband "Sommer vor den Mauern" (2011) und die Romane "Gesellschaft mit beschränkter Haftung" (2012) und "36,9°". 2017 erschien der Reportagenband "Rotlicht", 2018 der Gedichtband "Kreuzzug mit Hund". 2019 stand ihr Roman "Schutzzone" auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.
Dabei wäre die Frage durchaus berechtigt, denn wie nennen wir das, was seit der brutalen Ermordung von George Floyd in den Vereinigten Staaten geschieht? Riots, Unruhen, war die erste Etikette für die Proteste, die größtenteils friedlich immer mehr Menschen auf die Straßen trieben, mitunter aber auch zu gewaltsamen Ausschreitungen führten. It's not a riot, it's a rebellion, wurde dieser Zuschreibung auf Plakaten und in den sozialen Medien entgegnet.

Denn es geht schließlich nicht nur um Wut und Gewalt, es geht um eine politische Forderung, und die ist so alt wie die Vereinigten Staaten selbst: That all men are created equal.

Die drastischen Bilder zeigen Plünderungen auf der einen Seite, hochgerüstete Soldaten vor dem Lincoln Memorial auf der anderen. Mittlerweile gibt es sogar einen neuen Sicherheitszaun vor dem Weißen Haus, der den Präsidenten vor dem eigenen Land schützen soll, wie eine bitterböse Persiflage auf die versprochene Mauer zu Mexiko. Eine Bevölkerung in Aufruhr – erinnert all das nicht tatsächlich an eine Revolution? The french aristocracy didn't saw it coming either, das war mal der ironisch-alarmistische Werbeslogan von Manhattan Mini Storage.

Etwas ernster gefasst lässt sich durchaus fragen, ob in der an fundamentaler Ungleichheit krankenden amerikanischen Gesellschaft die "Aristokratie", also die privilegierte Elite, sich ihrer Pfründe zu sicher war und ob jener berühmte Ausspruch Marie-Antoinettes, wenn das Volk kein Brot habe, dann solle es doch Kuchen essen, nicht längst seine gegenwärtige Entsprechung gefunden hat. I don't care stand mal gut lesbar auf der Jacke von Melania Trump.

Wenn sich nichts ändert, dann werden wir eine Französische Revolution haben, prophezeite Margaret Atwood schon vor anderthalb Jahren bei einer Benefiz-Gala in Los Angeles. Die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin sprach über die Ungleichheit im Land, die sich nicht nur zwischen den Geschlechtern zeige, sondern auch in Klasse, Ethnie und Wohlstand. Aber warum eigentlich die Französische Revolution? Hatten die Vereinigten Staaten nicht eine eigene, die sich auf dieselben Werte stützte, nämlich auf Gleichheit und die unveräußerlichen Rechte der Menschen – und die im Übrigen kein sich anschließendes Terrorregime �* la Robespierre nötig hatte? Wäre die nicht der viel bessere Bezugspunkt?

Die Französische Revolution ist bis heute das Symbolbild für eine zur Freiheit drängende unterdrückte Gesellschaft, die mit aller Kraft ein von Ungleichheit und Privilegien gezeichnetes System zum Einsturz bringt.

Die Revolution in Frankreich war Endpunkt des sich zunehmend auflösenden Feudalsystems Europas, eine Auflösung, die in Frankreich durch die absolutistische Monarchie zugleich kompensiert wie beschleunigt wurde. So baute die Revolution auf den Trümmern der alten Strukturen, von denen viele sich über den Umsturz hinaus erhielten. Dazu aber haben die heutigen USA, die längst ein Ancien Régime geworden sind mit einer nach Erbprivilegien gegliederten Gesellschaft, viel mehr Ähnlichkeiten als zur vorrevolutionären Gesellschaft ihrer Vorfahren.

"Wer wissen will, ob eine Kaste, die Ideen, Gewohnheiten und Schranken, die sie bei einem Volke erzeugt hatten, definitiv vernichtet sind, betrachte dort die Ehen", empfiehlt Alexis de Tocqueville schon 1856 in Der alte Staat und die Revolution. Dieser Rat dürfte auch in den heutigen USA – und nicht nur dort – hilfreich sein für die Frage, wie selbstverständlich etwa ethnische Unterschiede weiterhin als Trennungslinien fungieren.

Auch wenn der Dreiklang Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit emblematisch geworden ist für die Französische Revolution, so scheint doch der Wunsch nach Gleichheit der lauteste gewesen zu sein, oder, mit einem ernüchterten Tocqueville gesprochen, "man schien die Freiheit zu lieben; es findet sich, daß man nur die Herren haßte". Dass man vor allem die Herren hasst, lässt sich wohl mit Blick auf die USA derzeit unterschreiben. Die Frage ist aber noch, was das für die Liebe zur Freiheit bedeutet – in einem Land, in dem doch eigentlich alle längst frei sein sollten.

Donald Trump setzt mit seinem Herrschaftsstil an der Wurzel des amerikanischen Selbstverständnisses an, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen versucht er jenen Strang auszureißen, der im tiefen, institutionalisierten Freiheitsbegriff gründet, und sich selbst dagegen als absolutistischen Herrscher eines Ancien Régime einzupflanzen. Hier hilft ihm das zweite Wurzelwerk, das die Gründung der Vereinigten Staaten mit trug, und das ist der Glaube an eine weiße Superiorität, die Überlegenheit der weißen Siedler sowohl über die von ihnen zu Zehntausenden abgeschlachtete indigene Bevölkerung des Kontinents wie über die erst versklavten, danach weiterhin diskriminierten Schwarzen.

Die Geschichte der USA trug immer den Januskopf einer sich entkolonisierenden Kolonisierung, einer unterwerfenden Befreiung. Die Freiheit, die schließlich für alle gelten sollte, aber noch lange nicht mit den schön tönenden Worten der Unabhängigkeitserklärung für alle Wirklichkeit war, verlief und verläuft auf einem Möbiusband, dessen Unterseite sich jederzeit wieder nach oben drehen kann.

Ziel einer Rebellion, schreibt Hannah Arendt, sei die Befreiung, Ziel einer Revolution die Gründung der Freiheit. Ist das, was wir in den USA sehen, nun eine Revolution, Sire? Man wird abwarten müssen, als was sich der Status quo durch die Proteste erweist.
Quelle:

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